1 Einleitung
Das zum 1. Juni 1994 neu in Kraft getretene Entgeltfortzahlungsgesetz hat in § 9 bundeseinheitlich und für alle Arbeitnehmergruppen zusammenfassend das Recht der Kur- und Heilverfahren neu geregelt. Die bisherigen Begriffe "Vorbeugungs-, Heil- oder Genesungskur" (§ 7 des alten Lohnfortzahlungsgesetzes) sind durch die Begriffe des Sozialrechts "Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation" ersetzt worden. Inhaltlich hat sich durch diese Begriffsänderung nichts geändert. Daher kann in Zweifelsfällen die zum alten Lohnfortzahlungsrecht ergangene Rechtsprechung herangezogen werden.
Bei den "Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation" handelt es sich um Leistungen, die den Zielen und Grundsätzen, wie sie auch für die berufsfördernden Leistungen zur Reha gelten, unterstehen. Zum Leistungskatalog gehören auch die Vorsorgekuren zur Krankheitsverhütung sowie zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit. In Abgrenzung zur Krankenhausbehandlung handelt es sich bei Kuren um eine Kombination verschiedenartiger medizinischer und pflegerischer Maßnahmen, die in Bade- oder Kurorten i. d. R. im Inland erbracht werden.
2 Anspruchsvoraussetzungen
Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation sind in § 22 Abs. 1 Satz 3 TVöD auf der Grundlage von § 9 Entgeltfortzahlungsgesetz einheitlich geregelt. Danach sind Arbeitsverhinderungen durch Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (Kurmaßnahmen) tarifrechtlich der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt. Daher kommt die Zahlung von Krankenentgelt während einer Kurmaßnahme nicht in Betracht, wenn der Beschäftigte die Ursache der Kurmaßnahme verschuldet hat und aus den gleichen Gründen die Zahlung von Krankenentgelt wegen Krankheit ausgeschlossen ist. Im Einzelnen ist zwischen pflichtversicherten Arbeitnehmern und nicht pflichtversicherten Arbeitnehmern zu differenzieren.
2.1 Pflichtversicherte Arbeitnehmer
Die Kur muss durch einen Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, einer Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder eines sonstigen Sozialleistungsträgers bewilligt worden sein. Sie muss nicht stationär in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt werden. Eine ambulante Kur genügt.
2.2 Nicht pflichtversicherte Arbeitnehmer
Da für diese Arbeitnehmer eine Bewilligung durch einen Sozialversicherungsträger ausscheidet, genügt die ärztliche Verordnung einer medizinischen Vorsorge oder Reha-Maßnahme.
Hat der Arbeitgeber Zweifel an der medizinischen Indikation der Kurmaßnahme, muss er dies durch konkrete Tatsachen untermauern. Die Rechtslage ist vergleichbar mit den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Richtigkeit einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angreift. Im Zweifelsfall ist ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Ähnliches gilt bei konkreten Zweifeln an der stationären Unterbringung während der Kur sowie bezüglich der Prüfung, ob die Kureinrichtung vergleichbar ist mit einer vom Sozialversicherungsträger anerkannten Einrichtung.
Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 3 TVöD i. V. m. § 9 EFZG können auch bei einer Müttergenesungskur (§ 41 SGB V) erfüllt sein, wenn die Kurmaßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird.
Für die Durchführung von Kurmaßnahmen, die nicht von der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 TVöD erfasst werden, muss Erholungsurlaub genommen werden. Insbesondere für eine sog. freie Badekur, bei der ohne stationäre Unterbringung Behandlungen bzw. Anwendungen in Anspruch genommen werden, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Desgleichen auch für sog. Nachkuren und Schonzeiten. Hingegen ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen für die sich an die Maßnahme anschließende Zeit Erholungsurlaub zu gewähren (§ 7 Abs. 1 S. 2 BUrlG). Diese Regelung ist zwingend. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer weder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer noch dringende betriebliche Belange entgegenhalten.
3 Fortsetzungserkrankung
Die Kurmaßnahme gilt nunmehr als Arbeitsverhinderung infolge von Arbeitsunfähigkeit. Daher gelten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und der Kur, die auf derselben Krankheit beruhen, als Fortsetzungserkrankung.
Ein Arbeitnehmer war wegen eines Bandscheibenleidens vom 22. Mai bis 26. Juni (5 Wochen) arbeitsunfähig. Anschließend hat er seine Arbeit wieder aufgenommen. Am 14. August tritt er – ohne zwischenzeitlich arbeitsunfähig gewesen zu sein – wegen dieses Bandscheibenleidens eine Kurmaßnahme i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 3 TVöD an, die bis zum 10. September dauert. Da die Kurmaßnahme als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit gilt und der Beschäftigte in den 6 Monaten vor Antritt der Kurmaßnahme wegen desselben Leidens arbeitsunfähig war, erhält er ab 14. August Krankengeld nur noch für 1 Woche. Anschließend steht ihm bei Vorliegen der Voraussetzung des § 22 Abs. 2, 3 TVöD ein Krankengeldzuschuss zu.
4 Anspruchsumfang
Der Beschäftigte hat Anspruch auf Krankenentgelt wie bei Vorliegen einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit. Danach hat er bis zur Dauer von 6 Wochen Anspruch auf Kran...