Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Urteil vom 27.07.2000; Aktenzeichen 2 Ca 170/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim vom 27.07.2000, Az. 2 Ca 170/00, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein tariflicher Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 1999 zusteht.
Der Kläger ist seit Februar 1976 als Lagerverwalter bei der Beklagten beschäftigt. Er ist zu 50% schwerbehindert und seit 17.04.1999 arbeitsunfähig krank; seit 29.05.1999 bezieht er Krankengeld und seit 09.02.2000 Erwerbsunfähigkeitsrente (auf Zeit). Am 16.04.1999 hatte der Kläger einen Resturlaubsanspruch für das Jahr 1999 von 32 Tagen (30 Tage Tarifurlaub und 2 Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte). Kraft beidseitiger Tarifgebundenheit gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden und insbesondere das Urlaubsabkommen vom 18.12.1996 (im folgenden: UA). Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe ein Anspruch auf Abgeltung von 32 Urlaubstagen zu. Seine länger als 6 Wochen andauernde Krankheit sei eine „längere Krankheit” im Sinne des § 2.3 Abs. 2 UA. Die Urlaubsvergütung betrage täglich 295,90 DM brutto (was unstreitig ist), bei 32 abzugeltenden Urlaubstagen ergebe sich eine Forderung von 9.468,80 DM brutto.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 9.468,80 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 27.04.2000 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente hindere den Urlaubsabgeltungsanspruch. Beim Kläger liege auch keine „längere” sondern eine „lange” Krankheit vor, welche in § 2.3 UA nicht gemeint sei. Der Abgeltungsanspruch sei jedenfalls in dem Umfang zu kürzen, in dem der Kläger Krankengeld bezogen habe. Schließlich komme eine Abgeltung des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte nicht in Betracht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, § 2.3 UA sei dahin auszulegen, dass auch die langandauernde Krankheit eine „längere” im Sinne der Tarifnorm sei. Die erst im Jahr 2000 bewilligte Erwerbsunfähigkeitsrente habe keinen Einfluss auf den das Jahr 1999 betreffenden Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch. § 2.3 UA umfasse auch den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte. Eine Kürzung des Anspruchs wegen des Bezugs von Krankengeld komme nicht in Betracht. Sozialrechtliche Leistungen dienten regelmäßig nicht dazu, den Arbeitgeber zu entlasten. Das Problem möglicher Doppelleistungen werde regelmäßig durch die Schaffung gesetzlicher Anspruchsübergangsnormen und Ruhenstatbestände betreffend sozialversicherungsrechtlicher Leistungen geregelt.
Gegen das ihr am 10.08.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.08.2000 Berufung eingelegt und diese am 30.08.2000 begründet.
Sie trägt vor, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Wortlautinterpretation des Urlaubsabkommens sei falsch. Das Kündigungsschutzrecht kenne verschiedene Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung. Eine lange Krankheit sei deshalb nicht identisch mit einer längeren Krankheit. Auch hätten die Tarifvertragsparteien das Adjektiv „länger” weglassen können, wenn die Abgeltung wie vom Arbeitsgericht angenommen auch bei langer Krankheit gewährt werden solle. Jedenfalls im Fall der andauernden Arbeitsunfähigkeit sei eine jährliche, bis zur Rente laufende Urlaubsabgeltung dem Arbeitgeber nicht zumutbar. Es sei davon auszugehen, dass das Urlaubsabkommen keinen Abgeltungsanspruch gebe, wenn dem Arbeitnehmer, wie vorliegend dem Kläger, seine Leistung auf Dauer unmöglich sei. Die Beklagte trägt vor, Grund für den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente sei auch die Behinderung des Klägers. Eine Abgeltung nach § 2.3 UA erfordere aber Monokausalität. Der Arbeitnehmer dürfe nicht noch aus einem anderen Grund als Krankheit an der Urlaubsnahme in Natur gehindert sein. Die Beklagte meint, die im Jahr 2000 bewilligte Erwerbsunfähigkeitsrente sei für den hier streitgegenständlichen Urlaubsabgeltungsanspruch maßgeblich. Dieser komme erst dann zum Tragen, wenn der Mitarbeiter den Urlaub auch nicht innerhalb des Übertragungszeitraums, also bis 31.03. des Folgejahres verwirklichen könne. Die Beklagte meint, das Urlaubsabkommen sehe keine Berechnungsmodalität für den Fall der Urlaubsabgeltung vor. Aus dem Rechtsgedanken des § 615 BGB sei zu folgern, dass die Lohnersatzleistungen (Krankengeld und Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs berücksichtigt werden müssten. Da der Kläger die Höhe des Krankengeldes und der Rente nicht angebe, sei die Klage unschlüssig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim – Az. 2 Ca 170/00 – vom 27.07.2000, zugestellt am 10.08.2000, wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinst...