Entscheidungsstichwort (Thema)

Belastung des Arbeitszeitkontos eines erkrankten Arbeitnehmers, an den der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung zu leisten hat

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nach dem Inkrafttreten des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes getroffene tarifliche Regelung, nach welcher sich die Höhe der Entgeltfortzahlung zwar nach dem Arbeitsentgelt bemisst, welches dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit zusteht, dem Arbeitgeber jedoch die Möglichkeit einräumt, für jeden entgeltfortzahlungspflichtigen Tag vom Arbeitszeitkonto des erkrankten Arbeitnehmers eine bestimmte Zahl von Stunden in Abzug zu bringen, verstößt gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz in der seit dem 1. Januar 1999 gelten Fassung.

 

Normenkette

EFZG §§ 4, 12; Manteltarifvertrag für die kunststoffverarbeitende Industrie in Baden-Württemberg vom 05. Juli 1989 nebst Änderungsvereinbarung vom 01. September 1997

 

Verfahrensgang

ArbG Pforzheim (Urteil vom 17.09.1999; Aktenzeichen 4 Ca 230/99)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, vom Arbeitszeitkonto des Klägers 22,5 Stunden in Abzug zu bringen, weil dieser an 15 Tagen arbeitsunfähig krank war.

Der am 05. November 1950 geborene Kläger war zunächst auf Grund eines Vertrages vom 20. Dezember 1989 bei der Beklagten beschäftigt. Dieser Vertrag ist durch den Arbeitsvertrag vom 19. März 1990 abgelöst worden. Der Kläger ist als Einrichter in der Spritzerei der Beklagten, die 200 Arbeitnehmer beschäftigt, im Drei-Schicht-Wechsel tätig. Unter § 12 des Arbeitsvertrages haben die tarifgebundenen Parteien die Anwendbarkeit der Tarifverträge, welche zwischen dem Verband der Südwestdeutschen Kunststoffindustrie und verwandter Industrien und der IG Chemie-Papier-Keramik abgeschlossen worden sind, vereinbart. Die tarifliche Arbeitszeit beläuft sich in der Wechselschicht auf 38 Stunden in der Woche. Für die von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer werden Arbeitszeitkonten geführt. Für geleistete Mehrarbeit sind 4 bzw. 12 Monats-Konten eingerichtet. Daneben existiert ein „Krankenstunden-Konto”. Unter § 6 III des Manteltarifvertrages vom 05. Juli 1989 (künftig: MTV 1989) ist bestimmt:

„Für die an einem Tag geleistete Mehrarbeit kann auf Wunsch des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange Freizeit gewährt werden. Die Zuschlagspflicht gemäß § 6 II bleibt bestehen.”

Hinsichtlich der Vergütung im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung war unter § 15 I Ziff. 2 MTV 1989 geregelt:

„Bei Erkrankung, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden ist, gelten für gewerbliche Arbeitnehmer die gesetzlichen Bestimmungen.

Betrieblich kann vereinbart werden, daß abweichend von § 2 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes das Arbeitsentgelt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst bemißt, das der Arbeitnehmer in einem betrieblich vereinbarten Berechnungszeitraum vor Krankheitsbeginn erhalten hat.”

Die Tarifvertragsparteien haben am 01. September 1997 durch eine „Vereinbarung zum Manteltarifvertrag” diese Regelung geändert, die mit Wirkung vom 01. November 1997 in folgender Fassung gilt:

„Bei Erkrankung, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen.

Die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bemißt sich unabhängig von der jeweiligen gesetzlichen Regelung nach dem Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden tariflichen regelmäßigen oder davon abweichend vereinbarten Arbeitszeit zusteht, ohne Mehrarbeit und ohne Mehrarbeitszuschläge, auch soweit diese pauschaliert sind. Bei Kurzarbeit ist die verkürzte Arbeitszeit maßgebend. Der Entgeltberechnung können die durchschnittlichen Verhältnisse eines Zeitraums zugrunde gelegt werden, der durch Betriebsvereinbarung festzulegen ist.

Der Arbeitgeber kann für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit, für die er Entgeltfortzahlung leisten muß, den Arbeitnehmer 1,5 Stunden nacharbeiten lassen bzw., sofern ein Arbeitszeitkonto vorhanden ist, diese 1,5 Stunden von seinem Zeitkonto in Abzug bringen. Ist Nacharbeit bzw. eine Verrechnung mit dem Zeitkonto nicht möglich, so ist der Arbeitgeber berechtigt, diese 1,5 Stunden pro Krankheitstag vom Lohn bzw. Gehalt in Abzug zu bringen. Diese Anrechnungsmöglichkeit ist auf 15 Krankheitstage im Jahr bzw. 10 Krankheitstage pro Krankheitsfall beschränkt.”

Der Kläger war am 28. und 29. Januar, vom 01. bis 05. Februar und vom 15. März bis 01. April 1999 durch Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert. Er erhielt Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 %. Mit der Beendigung der Arbeitsunfähigkeitszeiten wurde das Arbeitszeitkonto des Klägers mit insgesamt 22,5 Minusstunden belastet. Der Kläger hat erfolglos die Gutschrift der abgezogenen Stunden schriftlich verlangt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Gutschrift der abgezogenen 22,5 Stunden. Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei zu einer entsprechenden Gutschrift verpflichtet. Die Bestimmung des § 15 I Ziff. 2 MTV 1989 in der Fassung der Vereinbarung ...

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