Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klageänderung. Zwischenfeststellungsklage im Zivilprozess. Gegenstand der Befristungskontrollklage bei mehreren Befristungen. Zielsetzung des Tarifvertrags zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen. Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien im Befristungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Begehrt der Kläger zweitinstanzlich eine andere Beschäftigung als in erster Instanz, liegt eine Klageänderung vor. Diese ist zulässig, wenn sie sachdienlich ist. Die Zulassung der Klageänderung führt zu einer sachgemäßen und endgültigen Beilegung des Streits zwischen den Parteien. Zudem kann die Klageänderung auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
2. Gemäß § 256 Abs. 2 ZPO kann zugleich mit der Hauptklage auf die Feststellung eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses geklagt werden. Diese Zwischenfeststellungsklage trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß § 322 ZPO nur die Entscheidung über den Klageanspruch, nicht aber auch das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst. Mit der Zwischenfeststellungsklage wird ein Teil aus der Gesamtentscheidung verselbstständigt und mit eigener Rechtskraft versehen.
3. Gegenstand der Befristungskontrolle ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich die Befristung des letzten Arbeitsvertrags.
4. Der Tarifvertrag zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen verlangt nicht, dass für die befristete Übertragung ein sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegen muss. Ersichtlich wollten die Tarifvertragsparteien mit dem Tarifvertrag dem Arbeitgeber ein Instrument in die Hand geben, um den Personaleinsatz im Führungskräftebereich effektiver steuern zu können.
5. Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien im Befristungsrecht ist nicht unbegrenzt. So sind bei einer Tariföffnungsklausel nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die Vorgaben aus den unionsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 1999/70/EG und dem Institut des Rechtsmissbrauchs zu beachten. Dauer und Anzahl der Befristungen sind einzelfallbezogen zu prüfen.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 2, §§ 322, 529 Abs. 2, § 533 Nr. 1; TzBfG § 14 Abs. 1, 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 21.01.2022; Aktenzeichen 24 Ca 4698/20) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2022 - 24 Ca 4698/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Leitungsfunktion der Klägerin als Redaktionsleiterin für ... in der Vergütungsgruppe 13 Stufe h nicht aufgrund der Befristung vom 19. Februar 2015 mit Ablauf des 30. Juni 2020 geendet hat.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Redaktionsleiterin für ... weiterzubeschäftigen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz bleibt dem Urteil des Landesarbeitsgerichts im abgetrennten Teil des Rechtsstreits vorbehalten. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit das Verfahren nicht abgetrennt wurde, im Wesentlichen über die Befristung der Leitungsfunktion der Klägerin als Redaktionsleiterin.
Die am ... geborene Klägerin trat aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 2. Juli 1986 (Anlage B 1) ab dem 4. August 1986 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als ... ein. Vom ... bis zum ... absolvierte die Klägerin ein Volontariat aufgrund eines Volontärvertrags vom 12. Mai 1993 (ebenfalls Anlage B 1). Ab dem Jahr 1998 war die Klägerin bis zum 28. Februar 2007 als freie Mitarbeiterin tätig. Im November 2002 übertrug die Beklagte der Klägerin die stellvertretende Redaktionsleitung der ... .
Am 14. Februar 2007 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag (Anlage K 2), wonach die Klägerin als Redakteurin eingestellt wurde. Die Klägerin erhielt eine Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe 12. Nach § 2 des Arbeitsvertrages waren die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung (vgl. Anlage K 10) Bestandteil des Arbeitsvertrags. Die Klägerin war, wie bereits seit November 2002, ... (vgl. das Zwischenzeugnis vom 16. Juni 2009 - Anlage K 1).
Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde sie am 19. Mai 2006 durch einen ... der Beklagten sexuell belästigt. Wegen der Einzelheiten wird auf Abl. 16 ff. verwiesen. Die Klägerin unterrichtete noch am selben Tag ihr vertraute Personen über den Vorfall. Nach dem Vorbringen der Klägerin drohte der ... der Klägerin am darauffolgenden Tag, ihre Karriere zu zerstören, wenn sie den Vorfall publik mache.
Erst in der 43. Kalenderwoche des Jahres 2008 unterrichtete die Klägerin die stv. Beauftragte für Chancengleichheit und eine Personalrätin über den Vorfall. Der damalige Intendant beraumte daraufhin ein Gespräch auf den 30. Oktober 2008 an, in dessen Rahmen sich di...