Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des § 71 Abs. 2 BAT – Dauer des Zeitraums, für den Krankenbezüge zu bezahlen sind
Leitsatz (redaktionell)
Eine Anrechnungslage nach § 71 Abs. 1 UA 2 BAT ist nur gegeben, wenn und soweit die Zeit der Rehabilitationsmaßnahme auf die nach Satz 2 verlängerten Fristen entfällt.
Normenkette
BAT § 71 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 21.09.2001; Aktenzeichen 6 Ca 138/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 21.09.2001 – 6 Ca 138/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auf Grund am 07.03.01 eingereichter Klage über den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Krankenbezügen für einen (weiteren) Zeitraum von zwei Wochen.
Die Klägerin ist seit 1978 bei dem Beklagten angestellt. Sie erhält Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT (VKA), dessen Geltung einzelvertraglich vereinbart ist.
Die Klägerin unterzog sich vom 26.01. bis 27.02.00 einer von der BfA bewilligten Maßnahme gesundheitlicher Rehabilitation, aus der sie als arbeitsunfähig krank entlassen wurde. Sie war weiterhin bis einschließlich 08.10.00 krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
Der Beklagte gewährte vom 26.01. bis einschließlich 25.07.00, also für die Dauer von 26 Wochen, Krankenbezüge i. S. von § 37 Abs. 2 BAT.
Die Klägerin hat unter Hinweis auf § 71 Abs. 2 BAT die Ansicht vertreten, ihr stehe dieser Anspruch für weitere zwei Wochen zu.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 09.04.01 zugestellte Versäumnisurteil (VA Bl. 18/19; 21) hat sie am 10.04.01 den Einspruch eingelegt (VA Bl. 23).
Sie hat beantragt:
Der Beklagte hat an die Klägerin für die Zeit vom 26.07.2000 bis zum 08.08.2000 anteilige Bezüge (14/31 der Monatsbezüge) in Höhe von DM 1.928,24, verringert um die darauf entfallenden Steuer-, Zusatzversicherungs- und Sozialversicherungsabgaben von insgesamt DM 788,80 zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat den gegenteiligen Rechtsstandpunkt vertreten.
Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil durch Urteil vom 21.09.01 aufrechterhalten. Es hat die Frage, ob die Klägerin sachbefugt sei, unbeantwortet gelassen und ausgeführt, eine weitere Zahlung könne nicht beansprucht werden.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Klaganspruch weiter und meint, das Arbeitsgericht habe § 71 Abs. 2 UA 1, 3 unrichtig ausgelegt.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern wie folgt:
- Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 03.04.01, Az.: 6 Ca 138/01 wird aufgehoben.
- Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1.928,24 brutto zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und stellt die Sachbefugnis der Klägerin in Abrede.
Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
(1) Die Berufung ist zulässig.
1. Sie ist insbesondere – im engeren Sinn – an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG).
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts betrifft keine Bestandsstreitigkeit i. S. von § 64 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG. Es hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Entscheidung findet sich an keiner Stelle des Urteils, und die Rechtsmittelbelehrung geht umstandslos von einem DM 1.200,00 übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstandes als Zulässigkeitsvoraussetzung aus. Fehlt die (positive) Entscheidung, die Berufung sei zugelassen, so ist darin in Verfolg der Rechtsprechung des BGH die Negative zu sehen, das Rechtsmittel sei nicht zugelassen. Der Grund dafür ist unerheblich, denn selbst wenn eine versehentliche Nichtbescheidung dieses Punktes anzunehmen sein sollte, ist die Frist für ein Ergänzungsurteil nach § 64 Abs. 3 a ArbGG längst verstrichen. Mithin kommt es darauf an, ob das Rechtsmittel als Beschwerberufung statthaft ist. Für die Bemessung der Beschwer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der vom Arbeitsgericht festgesetzte Streitwert maßgebend. Beläuft er sich auf einen DM 1.200,00 übersteigenden Betrag und wird das abgewiesene (und so bewertete) Klagbegehren in vollem Umfang weiterverfolgt, ist diese Zulässigkeitsvoraussetzung erfüllt. Im Rahmen dieser Prüfung ist das Berufungsgericht an den vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert gebunden, es sei denn, er sei – im Sinne der Rechtsprechung des BAG – offenkundig unrichtig. Das ist (vgl. auch § 319 Abs. 1 ZPO) der Fall, wenn sich der (gem. § 3 ZPO) nach dem Nominalprinzip zu bestimmende Wert als rechnerisch unzutreffend erweist. So liegt es hier. Nach dem Wortlaut des Sachantrags erstrebt die Klägerin die Zahlung von DM 1.928,24 abzüglich DM 788,80. Hieraus errechnet sich ein Streitwert von DM 1.139,44. Er übersteigt die maßgebende Gren...