Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzumutbares Beschäftigungsangebot während restlicher Nachtschicht nach kurzfristig angesetzem Warnstreik. Unbegründete Vergütungsklage eines Druckers aufgrund rechtsvernichtender Einwendung der Arbeitgeberin
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Streikfolgen, die den Arbeitnehmern zuzurechnen sind und deshalb von ihnen als Arbeitskampfrisiko zu tragen sind, gehören auch solche Arbeitsausfälle, die durch Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers verursacht werden, mit denen der Arbeitgeber die streikbedingten Betriebsstörungen möglichst gering halten will.
2. Der Arbeitgeber ist deshalb berechtigt, für den Druck von Tagezeitungen die Arbeitsleistung einer Nachtschicht, die sich an einem Warnstreik beteiligt hat, abzulehnen und zuvor bestellte Aushilfskräfte stattdessen zu beschäftigen. Es ist ihm unzumutbar, abzuwarten, ob die Arbeitnehmer der Nachtsschicht die Arbeit rechtzeitig aufnehmen.
3. Zur Auslegung einer Maßregelungsklausel.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Arbeitgeberin kann das Arbeitsangebot eines an einem Warnstreik beteiligten Arbeitnehmers ablehnen, wenn es ihr unzumutbar ist, das Arbeitsangebot anzunehmen; damit greift die Arbeitgeberin nicht aktiv gestaltend in den Arbeitskampf ein sondern macht eine rechtsvernichtende Einwendung geltend, die dem Entgeltanspruch des Arbeitnehmers entgegensteht.
2. Zu den Streikfolgen, die den Beschäftigten zuzurechnen sind und deshalb als Arbeitskampfrisiko von ihnen zu tragen sind, gehören auch solche Arbeitsausfälle, die durch Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberin verursacht werden, mit denen die Arbeitgeberin die streikbedingten Betriebsstörungen möglichst gering halten will; die Beschäftigten sind jedoch mit den Folgen einer solchen Gegenmaßnahme nur dann zu belasten, wenn es sich nicht um vorbeugende Maßnahmen der Arbeitgeberin handelt, die über die reine Gegenwehr hinausgehen und damit den Rahmen des Arbeitskampfs erweitern, so dass sich die Arbeitgeberin der Lohnzahlungspflicht nicht dadurch entziehen kann, dass sie unter Berufung auf die Grundsätze des Arbeitskampfrisikos eine Ersatzmannschaft beschäftigt, um möglichen Arbeitsniederlegungen ihrer "streikanfälligen" Stammbelegschaft vorzubeugen.
3. Organisatorische Erfordernisse können es der Arbeitgeberin unmöglich oder unzumutbar machen, sich eng an den schnell wechselnden Rahmen des Streikgeschehens zu halten und auf vorausschauende Planung zu verzichten.
4. Ist für eine Arbeitgeberin in der Druckindustrie das Verhalten streikender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht klar vorhersehbar, weil ein sie betreffender Warnstreik (zwischen zwei Verhandlungsterminen) sehr kurzfristig angesetzt und mitgeteilt wird, und kann sie sich nicht sicher sein, ob es zu einem weiteren Warnstreik kommen und wie schnell dieser gegebenenfalls erfolgen wird, insbesondere ob die Beschäftigten der Nachtschicht ihre Arbeit mit Ende des Warnstreiks um 24:00 Uhr tatsächlich pünktlich um 00:00 Uhr aufnehmen werden, hat sie für die Planung der Nachtschicht gleichwohl Entscheidungen zu treffen und darf dabei auch berücksichtigen, dass es während der Nachtschicht besonders schwierig sein wird, kurzfristig Aushilfskräfte heranzuziehen; darf es wegen der Eigenarten des Produktionsprozesses auch nicht zu vergleichsweise geringfügigen Verzögerungen kommen und erscheint es eher ungewöhnlich, dass der Austausch einer erheblichen Anzahl von 71 Beschäftigten ohne irgendwelche Reibungsverluste von statten gehen wird, kann die Arbeitgeberin auch diese Umstände in ihre Entscheidung einbeziehen, einen am Streik beteiligten Arbeitnehmer nach Streikende für den Rest der Nachtschicht nicht mehr zu beschäftigen.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 611 Abs. 1, §§ 612a, 615
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 14.06.2012; Aktenzeichen 5 Ca 5347/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 14.06.2012 - 5 Ca 5347/11 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Die Revision wird gegen dieses Urteil nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 07.10.2011 eingegangenen Klage macht der Kläger einen Anspruch auf Arbeitsentgelt geltend.
Der Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten als Drucker (Rotation) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie Anwendung. Der Kläger ist in Vollzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden tätig, sein durchschnittlicher Bruttomonatslohn beträgt 2.700 €.
Der Kläger arbeitet in der Nachtschicht. Arbeitsbeginn ist um 20:30 Uhr, Arbeitsende um 04:00 Uhr.
Zwischen den Parteien ist die Vergütung der Nachtschicht vom 25.05.2011 auf den 26.05.2011 streitig.
Für den 25.05.2011 hatte die Gewerkschaft ver.di die gewerblich Beschäftigten in der Druckindustrie von 0:00 Uhr bis einschließlich 24:00 Uhr zu einem Warnstreik aufgerufen.
Die Verhandlungstermine für die Tarifverhandlung in der Druckind...