Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzung eines Leiharbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Versetzung eines Leiharbeitnehmers in einen anderen Betrieb des Entleihers unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats des Entleihbetriebs gem. § 99 BetrVG. § 14 Abs. 3 AÜG unterscheidet nicht zwischen Versetzung und Einstellung, sondern statuiert das Mitbestimmungsrecht vor der Übernahme zur Arbeitsleistung.

2. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG steht einem vorübergehenden Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz nicht entgegen.

3. Zur Auslegung des Begriffs "vorübergehend" i.s.d. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ist nicht das TzBfG heranzuziehen mit der Folge, dass ein vorübergehender Einsatz eines Leiharbeitnehmers nur angenommen werden kann, wenn ein sachlicher Grund entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG vorliegt.

 

Normenkette

AÜG §§ 1, 99; BetrVG § 100; AÜG § 11; BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 29.03.2012; Aktenzeichen 3 BV 3/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 29.03.2012 - 3 BV 3/12- wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Betriebsrats zur Verweigerung der Zustimmung zur "Versetzung" eines Leiharbeitnehmers und zur vorläufigen Durchführung der Maßnahme.

Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt die Vergabe von Konsumentenkrediten für Fahrzeuge, Hausrat und Reisen sowie das Filial- und Direktbankgeschäft mit Privatkunden. Sie beschäftigt ca. 3600 Mitarbeiter deutschlandweit. Antragsgegner ist der für den Betrieb "Sales" gebildete Betriebsrat.

Der Leiharbeitnehmer U. T. war Arbeitnehmer der B. Personaldienstleistungen GmbH, die mit der erforderlichen Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Herr T. wurde als Kundenberater bei der Arbeitgeberin in der Filiale Berlin I eingesetzt, die zum Betrieb der Hauptverwaltung mit einem eigenen Betriebsrat gehört.

Die Arbeitgeberin schrieb die Position des Kundenberaters für die Filiale Berlin-O. in der Zeit vom 23.11.2011 bis 07.12.2011 intern aus. Interne Bewerbungen gingen nicht ein.

Mit Schreiben vom 06.01.2012 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung um Zustimmung zur Versetzung des Herrn T. zum 15.01.2012 von der Filiale Berlin I in die Filiale Berlin-O.. Mit Schreiben vom 09.01.2012 verweigerte der Betriebsrat unter Bezugnahme auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 BetrVG seine Zustimmung. Er wies u.a. darauf hin, dass ein Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vorliege, weil eine unbefristete Beschäftigung nicht "vorübergehend" sei und die Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer eines sachlichen Grundes bedürfe.

Mit Schreiben vom 11.01.2012 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass beabsichtigt sei, den Leiharbeitnehmer U. T. vorläufig zu versetzen. Wegen des Inhalts wird auf das Unterrichtungsschreiben (Bl. 21 d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 17.01.2012 bestritt der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.

Nach Durchführung der Versetzung änderte sich der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers.

Mit dem am 20.01.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Personalmaßnahme sowie die Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Die Arbeitgeberin hat behauptet, dass eine vorübergehende Einstellung des Leiharbeitnehmers beabsichtigt sei. Da sich kein Mitarbeiter auf die intern ausgeschriebene Stelle beworben habe, habe sie sich entschlossen, die Stelle vorübergehend mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich um eine Versetzung handele, da dem Leiharbeitnehmer ein neuer Arbeitsbereich zugewiesen werde. Der Betriebsrat habe kein Zustimmungsverweigerungsrecht, weil kein Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gegeben sei. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sei bereits nicht einschlägig, da diese Vorschrift nur bei der erstmaligen Übernahme zur Anwendung komme. Der Leiharbeitnehmer sei aber vor dem Inkrafttreten des neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes übernommen worden. Im Übrigen liege auch kein Gesetzesverstoß vor. Es könne letztlich dahinstehen, ob eine vorübergehende Überlassung vorliege. Die Vorschrift habe nur eine klarstellende Funktion. Die vorläufige Durchführung sei aus sachlichen Gründen dringend erforderlich, weil die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes ansonsten nur unter Inanspruchnahme unzumutbarer Schwierigkeiten möglich sei.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur Versetzung des Leiharbeitnehmers U. T. von der Filiale Berlin I in die Filiale Berlin-O. ab dem 15.01.2012 wird ersetzt.

Es wird festgestellt, dass die zum 15.01.2012 vorgenommene vorläufige Versetzung des Leiharbeitnehmers U. T. aus sa...

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