Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltung von geleisteten „Vorgriffsstunden” im Störfall. Änderung der Beurteilungslage nach den Urteilen des OVG Münster vom 15.10.2003 (6 A 4134/02 pp.)
Leitsatz (amtlich)
Hat eine angestellte Lehrkraft nach § 4 VO zu § 5 SchFG NW „Vorgriffsstunden” geleistet und scheidet sie vor der ab dem Schuljahr 2008/09 vorgesehenen Gewährung der entsprechenden „Ermäßigungsstunden” aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen aus dem Dienst aus, steht ihr Vergütung für die „Vorgriffsstunden” zu.
Normenkette
BGB §§ 611-612, 315; GG Art. 3; VO § 4; SchFG NW § 5
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 27.08.2003; Aktenzeichen 7 Ca 1257/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.08.2003 teilweise abgeändert und das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin Euro 1.743,44 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2003 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 7/10 und das beklagte Land zu 3/10, die Kosten zweiter Instanz die Klägerin zu 3/10 und das Land zu 7/10.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses darüber, ob der Klägerin eine Vergütung für geleistete „Vorgriffsstunden” zusteht.
Die am 12.12.1948 geborene Klägerin trat zum 26.08.1978 als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft in die Dienste des beklagten Landes. Nach § 3 des Arbeitsvertrages vom 06.02.1979 finden die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) mit den Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l BAT) in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Mit Änderungsverträgen vom 03.02.1997 und vom 12.11.1997 ermäßigten die Parteien die Arbeitszeit der Klägerin auf wöchentlich 15 Pflichtstunden.
In den 38 Unterrichtswochen des Schuljahres 1997/1998 und den 38,5 Unterrichtswochen des Schuljahres 1998/1999 leistete die Klägerin zusätzlich zu ihrer Pflichtstundenzahl wöchentlich eine „Vorgriffsstunde”. Dem lag zugrunde, dass das Ministerium für Schule und Weiterbildung des beklagten Landes durch Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz vom 22.05.1997, GVBl. NW S. 88, u. a. bestimmt hatte:
„§ 4 Zusätzliche wöchentliche Pflichtstunden (Vorgriffsstunden) Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden nach § 3 erhöht sich für Lehrerinnen und Lehrer, die vor Beginn des jeweiligen Schuljahres das 30. Lebensjahr vollendet, aber das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, vorübergehend für einen Zeitraum von bis zu sechs Schuljahren um eine Stunde, und zwar
- an Grundschulen, Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen, Fachoberschulen und Kollegschulen in den Schuljahren 1997/98 bis 2002/03,
- an Abendrealschulen, Abendgymnasien, Kollegs und Studienkollegs für ausländische Studierende in den Schuljahren 1999/2000 bis 2004/05,
- an den übrigen Schulen in den Schuljahren 1998/99 bis 2003/04.
Für Lehrerinnen und Lehrer, die auf der Grundlage des Satzes 1 zur Leistung einer zusätzlichen Pflichtstunde verpflichtet waren, ermäßigt sich die Pflichtstundenzahl nach § 3 ab dem Schuljahr 2008/09 jeweils für einen entsprechenden Zeitraum um eine Stunde.”
Wegen Berufsunfähigkeit schied die Klägerin zum 30.11.2002 aus den Diensten des Landes aus. Im Februar 2003 hat sie vor dem Arbeitsgericht zunächst Stufenklage erhoben, im Mai 2003 für 144 Vorgriffsstunden Mehrarbeitsvergütung beansprucht und danach den Forderungsbetrag auf Euro 5.638,80 brutto beziffert und eingeklagt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass § 4 der VO zu § 5 SchFG NW lückenhaft und wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nichtig sei, soweit für Störfälle, nämlich das Ausscheiden der Lehrkraft vor Gewährung der Stundenermäßigung ab dem Schuljahr 2008/2009, keine Ausgleichszahlung vorgesehen sei. Gemäß § 612 BGB schulde daher das Land die Vergütung der Vorgriffsstunden.
Das beklagte Land hat entgegen gehalten, dass durch die Vorgriffsstunde nicht die Wochenarbeitszeit, sondern lediglich innerhalb der Wochenarbeitszeit das Verhältnis zwischen Unterrichtsaufgaben einerseits und Aufgaben in der unterrichtsfreien Zeit (Vor- und Nacharbeit des Unterrichts) andererseits verändert worden sei.
Durch Urteil vom 27.08.2003 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Klägerin das Urteil in rechtlicher Hinsicht an. Sie errechnet als Vergütung der Vorgriffsstunden aus dem Schuljahr 1997/98 Euro 1.184,04 brutto (52 Wochen × Euro 22,77) und aus dem Schuljahr 1998/99 Euro 1.201,72 brutto (52 Wochen × Euro 23,11). Unter Hinweis auf vom beklagten Land ausgestellte „Bescheinigungen über Vorgriffsstunden im Schuljahr …” vertritt sie die Auffassung, dass die Abgeltung der Vorgriffsstunden sich nicht auf die Unterrichtswochen beschränken dürfe, sondern die Ferienzeiten umfassen müsse.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung d...