Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist. unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
Wird der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung von einer tariflichen Ausschlussfrist erfasst, steht dem Anspruchsverfall nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, wenn das Unterlassen des Arbeitnehmers, die offenbare Überzahlung dem Arbeitgeber mitzuteilen, dem Arbeitgeber es weder erschwert noch unmöglich gemacht hat, selbst die Überzahlung zu erkennen und den Rückzahlungsanspruch fristgerecht geltend zu machen.
Normenkette
BGB §§ 242, 812; TVG § 4; BAG § 70
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen 4 Ca 1769/03) |
Nachgehend
Tenor
Unter Abänderung desUrteils des Arbeitsgerichts Oberhausen vom11.12.2003 wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das Land zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Vergütung schuldet. Die Beklagte macht geltend, dass die vom klagenden Land erhobene Rückzahlungsforderung tariflich verfallen sei. Das Land hält die Berufung auf die Ausschlussfrist für unzulässige Rechtsausübung.
Die Beklagte, am 17.12.1956 geboren, schwerbehindert, geschieden, trat nach ihrer Ausbildung beim klagenden Land zum 19.02.1975 als vollzeitbeschäftigte Angestellte in dessen Dienste und ist seither als Schreibkraft im Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (vormals: Staatshochbauamt) tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge Anwendung.
Nach Geburt ihrer Tochter am 09.08.1989 nahm die Beklagte vom 04.10.1989 bis 08.11.1990 Erziehungsurlaub. Mit Änderungsvertrag vom 23.08.1990 vereinbarten die Parteien zum 11.12.1990 die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 19,25 Stunden bei weiterer Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT. Die Beschäftigungsdienststelle der Beklagten unterrichtete mit Änderungsmitteilung vom 27.09.1990 das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (nachfolgend: LBV) von der Änderung der Arbeitszeit. Mit Schreiben vom 29.10.1990 teilte außerdem die Beklagte dem LBV die Arbeitszeitverringerung mit und bat um Berücksichtigung bei künftiger Vergütung.
Ab dem 11.12.1990 arbeitete die Beklagte nur noch 19,25 Wochenstunden. Gleichwohl erhielt sie, was auch aus den vom LBV erstellten Vergütungsmitteilungen, etwa den Mitteilungen 12/90, 12/91, 12/92 mit der Stundenzahlangabe „voll” [Bl. 17 ff. d. GA.], hervorgeht, die Vergütung für eine Vollzeitbeschäftigung. In der Folgezeit gab die Beklagte gegenüber dem LBV in den formularmäßigen „Erklärungen zum Ortszuschlag” ihre Teilzeitbeschäftigung mit 19,25 Wochenstunden an, wobei sie in der Erklärung vom 09.11.1991 diese Eintragung in der – für Versorgungsempfänger vorgesehenen und damit falschen – Rubrik machte. Die Beschäftigungsdienststelle der Beklagten erhielt unter dem 09.07.1991 eine Benachrichtigung des LBV, aus der die Überzahlung der Beklagten ersichtlich war. In der Folgezeit blieben auch anlässlich von wiederholten Abordnungen der Beklagten, der Zahlung der Jubiläumszuwendung und der im April 2000 von der Beklagten beantragten Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden die Überzahlungen weiter unbemerkt. Erst im Herbst 2001 fiel beim Land auf, dass die Beklagte seit Dezember 1990 statt der hälftigen die volle Vergütung bezog. Das auf Strafanzeige des Landes gegen die Beklagte durchgeführte Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Duisburg im Januar 2003 ein. Unter dem 28.12.2001 erklärte das Land gegenüber der Beklagten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Nachdem die Beklagte in dem anschließenden Kündigungsschutzprozess obsiegt hatte (LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.2002, 6 Sa 415/02), nahm das Land rückwirkend zum 29.12.2001 die Vergütungszahlungen (auf der Basis der Teilzeittätigkeit der Beklagten) wieder auf, behielt allerdings den Betrag von Euro 4.862,52 im Hinblick auf den inzwischen geltend gemachten Rückzahlungsanspruch ein.
Im Juli 2003 hat das Land vor dem Arbeitsgericht Oberhausen Zahlungsklage, zuletzt auf Euro 113.932,97 (Überzahlung in Höhe von Euro 118.795,99 abzüglich einbehaltener Euro 4.862,52) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, erhoben. Es meint, dass die Beklagte sich gemäß § 242 BGB nicht auf den tariflichen Verfall des Rückzahlungsanspruchs (§ 70 BAT) berufen könne: Sie habe die Überzahlung erkannt und die entsprechende Unterrichtung des Arbeitgebers pflichtwidrig unterlassen.
Die Beklagte hat entgegen gehalten, der Annahme gewesen zu sein, dass die Abrechnungen richtig seien. Sie habe in allen Mitteilungen an das Land die richtige Wochenarbeitszeit angegeben. Aufgrund persönlicher und familiärer Überforderung habe sie sich um die Vergütungsabrechnungen nicht weiter gekümmert.
Durch Urteil vom 11.12.2003 hat das ...