Verfahrensgang
ArbG Wesel (Aktenzeichen 4 Ca 2561/97) |
Tenor
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 11.02.1998 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 610,56 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16.01.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 11/14 und der Beklagte zu 3/14 zu tragen.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld zusteht.
Der Kläger war seit dem 07.04.1997 als Dachdeckergeselle bei dem Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Dachdeckerhandwerk vom 27.11.1990 i.d.F.v. 06.12.1995 Anwendung.
Am 19.08.1997 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 02.09.1997. In dem vor dem Arbeitsgericht Wesel geführten Rechtsstreit hat der Kläger zunächst die Kündigungsfrist beanstandet. Mit am 16.01.1998 zugestellter Klageerweiterung hat er den Beklagten auf Urlaubsabgeltung in Höhe von DM 2.238, 76 brutto und tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von DM 559,69 brutto in Anspruch genommen.
Der Kläger hatte während des Arbeitsverhältnisses zwei Tage bezahlten Erholungsurlaub erhalten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß sich der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offene gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch auf DM 610,56 brutto belief. Der Kläger wurde im August 1997 arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis Juni 1998 fort.
Durch Urteil vom 11.02.1998 hat das Arbeitsgericht die Klage auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, an. Er meint, daß seine Ansprüche weder tariflich verfallen noch infolge der Arbeitsunfähigkeitszeit untergegangen seien.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 11.02.1998 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Wesel – 4 Ca 3561/97 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.798,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab Zustellung der Klage zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nur in Höhe eines Teilbetrages von DM 610,56 brutto begründet. Im übrigen hat sie keinen Erfolg.
I. Die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs und auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes sind, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt und die Kammer im Hinweisbeschluß vom 12.06.1998 ergänzend ausgeführt hat, nach § 54 RTV-Dachdeckerhandwerk verfallen. Die Ansprüche wurden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Der Kläger hätte sie binnen zwei Monaten, also bis Anfang November 1997, schriftlich geltend machen müssen. Dies hat er versäumt. Die ordnungsgemäße Geltendmachung dem Grunde nach und (ungefähr) der Höhe nach ist erstmals mit der am 16.01.1998 zugestellten Klageerweiterung erfolgt.
II. Dem Kläger verbleibt hingegen nach § 7 Abs. 4 BUrlG der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs.
1. Die Höhe des Anspruchs ist zwischen den Parteien unstreitig. Der gesetzliche Urlaubs(abgeltungs)anspruch steht nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien und wird daher nicht von tariflichen Verfallklauseln erfaßt (BAG 23.04.1996, 9 AZR 165/95, AP Nr. 6 zu § 17 BErzGG).
2. Dem Abgeltungsanspruch steht nicht entgegen, daß der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankte und die Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.03.1998 (und darüber hinaus) fortdauerte. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG kommt es auf hypothetische Überlegungen, insbesondere darauf, ob der Urlaubsanspruch noch erfüllt werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis weiter bestünde, nicht an.
Allerdings vertritt der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Auffassung, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch an die gleichen Voraussetzungen gebunden sei wie der Urlaubsanspruch und deshalb am 31.12. des Kalenderjahres bzw. im Fall der Übertragung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG am 31.03. des Folgejahres erlösche. Habe der Arbeitnehmer vorher den Arbeitgeber in Verzug gesetzt, könne er als Schadensersatz einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag fordern, dies aber nur dann, wenn er bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können, also in diesem Umfang arbeitsfähig gewesen sei (BAG 20.01.1998, 9 AZR 812/96, DB 98, 1237).
Die Kammer ist dieser Auffassung wiederholt entgegengetreten (LAG Düsseldorf 30.08.1995, ZTR 96, 29, 16.02.1995, ZTR 95, 320, 15.09.1994, AuR 95, 32, 16.09.1993, LAGE Nr. 5 zu § 7 BUrlG Übertragung, 05.09.1991, LAGE Nr. 3 zu § 7 BUrlG Übertragung, 21.03.1991, LAGE Nr. 9 zu § 7 AWbG NRW, 13.06.1990, AuR 90, 387, 20.09.1989, LAGE Nr. 2 zu § 7 BUrlG Übertragung; vgl. auch Schäfe...