Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlungen. Tantieme. Verfallklauseln. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Arbeitsentgelt. Regelung des Verfalls von Ansprüchen. Benachteiligung
Leitsatz (amtlich)
1. Verfolgt der Arbeitgeber mit einer Tantiemezahlung den Zweck, die Leistung eines Arbeitnehmers im Bezugszeitraum zusätzlich zu vergüten, benachteiligt eine Klausel, die den Verfall des Anspruchs vorsieht, den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist unwirksam.
2. Dies gilt auch, wenn die Tantieme nicht mehr als 25 % der Jahresvergütung beträgt.
Normenkette
BGB §§ 307, 305, 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.02.2012; Aktenzeichen 1 Ca 6056/11) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeits-
gerichts Düsseldorf vom 10.02.2012 - 1 Ca 6056/11 - wird
kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Auszahlung einer Resttantieme aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.
Der am 30.01.1961 geborene Kläger war seit dem 01.01.1989, zuletzt auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 17.03.2009, als Technischer Bereichsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vom 17.03.2009 heißt es unter § 2 unter anderem:
"...
4. Der Mitarbeiter erhält eine Tantieme, welche in einer gesonderten Ergänzung geregelt ist.
..."
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand darüber hinaus die "Tantiemerichtlinie im T. Konzern gültig ab 01.01.2010" Anwendung. Diese regelt im § 3 die Tantiemehöhe und im § 4 das "persönliche Verrechnungskonto" (im Folgenden PVK) wie folgt:
"4. Persönliches Verrechnungskonto (PVK)
20 % des nach Pkt. 3 errechneten positiven Jahresbetrages inkl. allfälliger Beträge aus Sonderregelungen werden dem PVK gutgeschrieben, soweit dadurch der zur Auszahlung gelangende Betrag 2/12 des Jahresbruttobezuges nicht unterschreitet.
Die dem PVK gutgeschriebenen Beträge werden mit dem jeweils geltenden internen T. SE - Habenzinssatz jährlich verzinst und jedem Kontoinhaber zum Monatsletzten des Auszahlungsvormonats jeden Jahres gutgebracht sowie ein Kontoauszug zur Verfügung gestellt.
Durch ermittelte Verlustbeteiligungen (auch bei nachlaufenden Ergebnissen) bzw. bestehende Verlustvorträge wird das PVK-Guthaben jährlich vermindert.
Der Anspruch auf Auszahlung des verbleibenden Betrages entsteht bei Pensionierung bzw. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von vom Arbeitgeber verursachten Beendigungsgründen und wird, ausgenommen im Falle des Todes des Mitarbeiters, in zwei Jahresraten - beginnend mit der letzten Tantiemeauszahlung - abgerechnet.
Wechselt ein tantiemeberechtigter Mitarbeiter von diesem Personenkreis in den nicht tantiemeberechtigten Angestelltenkreis, ist ein bestehendes Guthaben ebenfalls in zwei Jahresraten abzurechnen.
Ein Guthaben verfällt hingegen bei vom Arbeitnehmer verursachten Beendigungsgründen des Arbeitsverhältnisses.
Übersteigt der Gesamtbetrag am PVK den zweifachen persönlichen Jahresbruttobezug, so ist der übersteigende Betrag zugleich mit der Jahrestantieme zum jeweils geltenden Auszahlungszeitpunkt abzurechnen."
Im § 6 der Tantiemerichtlinie heißt es schließlich unter Buchstabe b:
"Anspruch auf Tantieme haben alle berechtigten Mitarbeiter, die am Ende des Bemessungszeitraumes (derzeit 31.12.) in einem aktiven Arbeitsverhältnis stehen."
Die Bruttojahresvergütung des Klägers betrug zuletzt ca. 93.000,-- €.
Der Kläger kündigte das mit ihm bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.08.2011.
Die Beklagte erstellte unter dem 19.07.2011 eine Tantiemeabrechnung für das Jahr 2010, die einen dem Kläger per 31.07.2011 auszuzahlenden Betrag von 5.572,-- € auswies.
Mit seiner am 17.10.2011 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten Klage hat der Kläger die Zahlung weiterer 30.369,-- € als Resttantieme geltend gemacht. Er hat insoweit auf sein persönliches Verrechnungskonto verwiesen und darauf, dass dort per 30.06.2011 ein Guthaben in Höhe von 30.369,-- € als verdiente Tantieme ausgewiesen sei. Er hat die Rechtsauffassung vertreten, dass die Verfallklausel im § 4 der Tantiemerichtlinie unwirksam wäre und die Auszahlung der bereits verdienten Tantieme nicht verhindern könnte.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.369,00 EUR (in Worten: dreißigtausenddreihundertneunundsechzig Euro, Cent wie nebenstehend) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Stichtags- bzw. Verfallklausel im § 4 der Tantiemerichtlinie wirksam sei und hierzu wie folgt vorgetragen:
Die derzeit gültige Tantiemerichtlinie, die ähnlich strukturiert wäre wie ihre Vorgängerregelungen (vgl. hierzu Bl. 58 - 66 d. A.), sehe zur Zeit drei Einzelkomponenten zur Errechnung der Gesamttantieme vor, nämlich den sogenannten Direktanteil, die Leistungsprämie und die Rückvergütung aus Zentralregie. Nach § 4 der zuletzt gültigen T...