Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 03.09.1997; Aktenzeichen 5 Ca 2756/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 03.09.1997 teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10 Tage Urlaub aus dem Jahr 1996 nachzugewähren.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Kurzeiten auf Tarifurlaub.

Die am 19.10.1938 geborene Klägerin ist seit dem 01.03.1977 als Verkäuferin mit einer Monatsarbeitszeit von 110 Stunden bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit und kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Die Klägerin unterzog sich vom 03.12.1996 bis zum 28.01.1997 einer Kur. Die Kur wurde durch eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 16. bis 20.12.1996 unterbrochen. Während der übrigen Zeit war die Klägerin arbeitsfähig gewesen. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 03.12.1996 bis zum 13.01.1997.

Als die Klägerin sich nach der Kur zurückmeldete, teilte die Beklagte ihr die Anrechnung der bezahlten Kurzeit auf 14 noch offenen Urlaubstage für das Jahr 1996 mit.

Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 06.03.1997, der Beklagten am 10.03.1997 zugegangen, machte die Klägerin ihren Resturlaubsanspruch geltend. Im Juni 1997 hat sie vor dem Arbeitsgericht Wuppertal Klage erhoben.

Durch Urteil vom 03.09.1997 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Klägerin das Urteil an. Nachdem die Beklagte in der Verhandlung vor der Kammer am 28.01.1998 erklärt hat, zehn Urlaubstage mit der Kurzeit zu verrechnen und vier Tage nachzugewähren, beantragt die Klägerin nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 03.09.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 10 Tage Urlaub aus dem Jahre 1996 nachzugewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit Rechtsausführungen das erstinstanzliche Urteil und behauptet: In einem Informationsschreiben („E., im Dezember 1996 – an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter”) habe sie die Belegschaft auf die Anrechnung nach § 10 BUrlG n. F. hingewiesen. Ihr Prokurist habe Anfang Dezember 1996 das Informationsschreiben unterzeichnet. Es sei dann per Fax an die einzelnen Filialen gegangen und dort am Schwarzen Brett ausgehängt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht aus dem Jahr 1996 ein Resturlaub von zehn Werktagen zu. Der Anspruch, der den tariflichen Mehrurlaub betrifft, ist nicht aufgrund Anrechnung gemäß § 10 BurlG n. F. erloschen. Die Beklagte hat daher die zehn Urlaubstage – neben den in der Verhandlung am 28.01.1997 zugestandenen vier weiteren Tagen – nachzugewähren.

1. Der Klägerin ging die Anrechnungserklärung der Beklagten erst Ende Januar 1997 anläßlich der Wiederaufnahme der Arbeit nach der Kur zu (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie konnte vorher auch nicht von der im Informationsschreiben angekündigten Anrechnung Kenntnis nehmen. Unterstellt man zugunsten der Beklagten, daß ihr Prokurist R. das Informationsschreiben Anfang Dezember 1996 unterzeichnete, das Schreiben dann der W. Filiale zugeleitet und dort am Schwarzen Brett ausgehändigt wurde, so ist jedenfalls nicht feststellbar, daß das Schreiben bereits vor dem 03.12.1996 (Kurantritt der Klägerin) ausgehängt wurde und also von der Klägerin hätte zur Kenntnis genommen werden können. Die Beklagte selbst hat dies auch nicht konkret behauptet und unter Beweis gestellt. Damit muß das Gericht zu ihren Lasten davon ausgehen, daß gegenüber der Klägerin die Anrechnung erst nach der Kur erklärt worden ist.

Im Urteil vom 01.10.1991 (9 AZR 290/90, EzA Nr. 2 zu § 10 BurlG n. F., zu II 3 der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht zu § 10 BUrlG in der bis zum 31.05.1994 geltenden Fassung („Kuren und Schonungszeiten dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle besteht.”) erkannt, daß der Arbeitgeber die Anrechnung vor Beginn der Kur erklären müsse. Die Kammer folgt der höchstrichterlichen Judikatur, die – entgegen der Auffassung der Beklagten – auf die gesetzliche Neufassung übertragbar ist. Da der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Erholungsurlaub (i.c. zehn Tage) frei gestalten darf, muß ihm vor der Kur die Anrechnung mitgeteilt werden, damit er sein Verhalten auf die mittels der Anrechnungserklärung erfolgte Urlaubsgewährung einstellen kann. Zu demselben Ergebnis führt der Grundsatz des Dispositionsschutzes: Solange der Arbeitgeber die Anrechnung nicht erklärt, besteht der Urlaubsanspruch ung...

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