Leitsatz (amtlich)

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen einem ehemaligen Arbeitgeber und einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft über die Verwendung überlassener Mittel ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet.

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 09.05.2000; Aktenzeichen 2 Ca 412/00)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.05.2000 – 2 Ca 412/00 – abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Dortmund verwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I

Die Klägerin, als H……-Gesellschaft zugleich handelnd für ursprünglich drei Tochtergesellschaften, ist ein Filialunternehmen des Einzelhandels im Zustand der Liquidation. Die Beklagte ist eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, welche ehemalige Arbeitnehmer der Klägerin aufgrund von dreiseitigen Verträgen übernommen hat. Grundlage hierfür sind sinngemäß gleichlautende Sozialpläne vom 22.12.1997. Diese Vereinbarungen (hier die Fassung einer dieser Vereinbarungen, abgeschlossen mit einer Tochtergesellschaft der Klägerin) lautet u.a.:

„§ 2 Eintritt in die BAQ – Beschäftigungs-, Auffang- und Qualifizierungs GmbH

(2)

Die BAQ wird den Mitarbeitern den Abschluß eines Arbeitsvertrages mit im wesentlichen gleichen Bedingungen anbieten …

§ 3 Beschäftigungsgesellschaft

(1)

a.

Die a…… Logistik GmbH stellt der BAQ einen Betrag von DM 400.00,– zur Deckung des gesamten dort anfallenden Aufwandes zur Verfügung. Der Betrag ist fällig bei Eintritt der ersten Mitarbeiter in die BAQ.

b.

Treten mehr als 175 Mitarbeiter (gerechnet nach Kostenkräften) in die BAQ ein, zahlt die a…… Logistik GmbH für jeden weiteren Mitarbeiter jeweils DM 1.000,–.

…”

Die Beklagte übernahm in der Folgezeit Mitarbeiter, die bei der Klägerin zur Kündigung anstanden. Die Beklagte führte diese Mitarbeiter als eigenes Personal und veranlasste Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Insgesamt erhielt sie von der Klägerin einen Betrag in Höhe von rund 1,3 Mio. DM. Über die gesamte Laufzeit von drei Jahren waren bei der Beklagten durchschnittlich 29 ehemalige Mitarbeiter der Klägerin beschäftigt. Neben den ehemaligen Mitarbeitern der Klägerin beschäftigte und qualifizierte die Beklagte ehemalige Arbeitnehmer eines weiteren insolventen Unternehmens.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Beklagte sei als Beauftragte tätig geworden. Dabei sei es gleichgültig, ob sie als ihre Beauftragte oder Beauftragte des Betriebsrats oder beider Betriebsparteien anzusehen sei. Sie schulde jedenfalls Rechnungslegung und Herausgabe desjenigen, was sie zur Ausführung des Auftrags erhalten und wegen der unerwartet niedrigen Anzahl der übernommenen Mitarbeiter nicht benötigt hätte. Hilfsweise berufe sie sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Äußerst hilfsweise mache sie einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend.

Die Klägerin kündigt folgende Anträge an:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, Rechnung zu legen über die Verwendung der von der Klägerin an die Beklagte insgesamt geleisteten Beträge von 1.275.676,47 DM, insbesondere Auskunft zu erteilen über den Aufwand, der in den Jahren 1998, 1999 und 2000 zur Verwaltung und Qualifizierung derjenigen Mitarbeiter aufgewandt wurde bzw. aufgewandt wird, die die Beklagte von der Klägerin, der Firma c…… Supermarkt GmbH, der Firma PRO Verbrauchermarkt GmbH und der Firma a… Logistik GmbH übernommen hat.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den nach Rechnungslegung sich ergebenden Überschuss (Zahlungen abzüglich nachgewiesener Aufwand) an die Klägerin zurückzuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

über die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts vorab gemäß § 48 ArbGG zu entscheiden

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nicht zulässig. Sie stelle keine Sozialeinrichtung der Klägerin dar. Sie habe ihre Leistungen selbständig erbracht. Insbesondere die typischen Arbeitgeberpflichten und -risiken seien mit der Begründung von Arbeitsverhältnissen auf sie übergegangen.

Mit Beschluss vom 09.05.2000 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zum Arbeitsgericht Dortmund für zulässig erklärt. Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte stelle eine selbständige Sozialeinrichtung dar, die den ehemaligen Arbeitnehmern der Klägerin Leistungen erbringe, zu denen letztere gesetzlich nicht verpflichtet sei. Dass die Arbeitnehmer selbst Beiträge zu leisten hätten, stünde der Eigenschaft der Beklagten als Sozialeinrichtung nicht entgegen.

Gegen den am 25.05.2000 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 08.06.2000

sofortige Beschwerde

eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in beiden Instanzen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II

Die gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG...

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