Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH-Bewilligung zur Rechtsverteidigung bei Freistellung durch Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
1. Fürr die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung übber die Bewilligung von Prozeßkkostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozeßkostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen.
2. Für eine gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nur vorsorglich ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers bedarf es der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Diese Grundsätze gelten auch in der Insolvenz. Da der Arbeitnehmer rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage erhoben und sich auf diesen Unwirksamkeitsgrund berufen hat (§ 113 Abs. 2 InsO), bot die Rechtsverteidigung des beklagten Insolvenzverwalters gegen die ausgesprochene Kündigung im Zeitpunkt der arbeitsgerichtlichen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg.
3. Für den Fall der Insolvenz kann ein insolvenzspezifisches Freistellungsrecht des Insolvenzverwalters bei reduziertem Beschäftigungsbedarf und zur Schonung der Masse in Betracht kommen (LAG Hamm, Urt. v. 27.09.2000 – 2 Sa 1178/00, n.v.). Der Gesetzgeber setzt das Bestehen eines Freistellungsrechts des Insolvenzverwalters voraus. Dies folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Stellt der Insolvenzverwalter – wie hier – alle Arbeitnehmer aus den vorgenannten Gründen von der Arbeit frei, dann hat eine dennoch erhobene Weiterbeschäftigungsklage von vornherein keine Erfolgsaussichten, so daß die Rechtsverteidigung des Insolvenzverwalters insoweit Erfolg hat.
4. Hat der Insolvenzverwalter nämlich gem. § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt, ist eine gegen ihn gerichtete Leistungsklage wegen einer Masseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, da ein Rechtschutzbedürfnis für eine derartige Klage aufgrund des Vollstreckungsverbots in § 210 InsO nicht gegeben ist (LAG Düsseldorf, Urt. v. 25.05.2000 – 5 Sa 418/00, ZInsO 2000, 520). Dies gilt auch für eine Weiterbeschäftigungsklage, weil der Insolvenzverwalter auch nicht auf diesem Wege und damit mittelbar zu neuen Masseverbindlichkeiten verurteilt werden darf.
5. Dem Insolvenzverwalter ist im öffentlichen Interesse die Aufgabe zugewiesen, die geordnete und rechtlich gesicherte Abwicklung eines auch masselosen Unternehmens vor allem zum Schutz sozial Schwächerer herbeizuführen. Demgemäß ist dem Insolvenzverwalter Prozeßkostenhilfe zu gewähren, wenn die Kosten aus der Masse nicht aufgebracht werden können und es den wirtschaftlich am Prozeß Beteiligten nicht zumutbar ist, die zu der Prozeßführung erforderlichen Mittel aufzubringen. Wirtschaftlich beteiligt in diesem Sinne sind diejenigen Gläubiger, deren Befriedungsaussichten sich durch ein Obsiegen des Beklagten konkret verbessern. Dabei ist anerkannt, daß den Trägern der Sozialversicherung in der Regel ein Kostenvorschuß nicht zugemutet werden kann.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 2, § 108 Abs. 2, § 209 Abs. 2 Nr. 3; SchwbG §§ 15, 19, 21 Abs. 1 Nr. 1; ZPO §§ 114, 119 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 22.02.2000; Aktenzeichen 5 (1) Ca 2773/99) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der PKH-Ablehnungsbeschluß des Arbeitsgerichts Hagen vom 22.02.2000 – 5 (1) Ca 2773/99 – teilweise abgeändert:
Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird dem Beklagten, soweit er sich gegen den Weiterbeschäftigungsantrag aus der Klageschrift vom 09.12.1999 zur Wehr setzt und damit für einen Streitwert von 8.800,00 DM, für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 25.01.2000 ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt Dr. J………… G……… aus E…… zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet.
Gründe
I. Der Kläger hat sich mit Klageschrift vom 09.12.1999, bei dem Arbeitsgericht am 10.12.1999 eingegangen, gegen die Kündigung und Freistellung gemäß Schreiben des beklagten Insolvenzverwalters vom 26.11.1999 mit der Begründung zur Wehr gesetzt, er sei anerkannter Schwerbehinderter (50% GdB) und die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu seiner Kündigung liege nicht vor. Mit gleicher Post sei dem Beklagten die Schwerbehinderteneigenschaft angezeigt worden.
Mit Schriftsatz vom 24.01.2000 hat der Beklagte für seine Rechtsverteidigung um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. G……… mit dem Bemerken nachgesucht, daß dem Guthaben in Höhe von 25.034,69 DM Masseforderungen in Höhe von 465.486,85 DM entgegenstünden und daß er die Masseunzulänglichkeit mit Schriftsatz vom 18.10.1999 dem Insolvenzgericht mitgeteilt habe. Nur wenn ihm als Verwalter Prozeßkostenhilfe bewilligt werde, sei er im Stande, die ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben zu erfüllen und ei...