Leitsatz (redaktionell)
Ein Verschulden iS des ArbKrankhG § 1 Abs 1 S 1 liegt nur bei gröblichem Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten (vergleiche BAG 1960-01-21 2 AZR 523/58 = AP Nr 13 zu § 1 ArbKrankhG und BAG 1964-06-25 2 AZR 421/63 = AP Nr 38 zu § 1 ArbKrankhG; BAG 1962-04-05 2 AZR 182/61 = AP Nr 28 zu § 63 HGB; Höhne/Marienhagen, betrieblicher Krankengeldzuschuß für Arbeiter, 2. Auflage Seite 108; Gelberg/Spix, Erläuterungen zum Krankengeldzuschuß nach dem ArbKrankhG, 1961, Nr 5 Ziffer 2). Für ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig (vergleiche BAG 1959-05-20 2 AZR 452/58 = AP Nr 1 zu § 2 ArbKrankhG; BAG 1960-01-21 2 AZR 523/58 = AP Nr 13 zu § 1 ArbKrankhG). Das gilt aber nicht, wenn Umstände vorliegen, die nach der Erfahrung des Lebens auf ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers schließen lassen (Vgl Gotzen/Doetsch; ArbKrankhG, 2. Auflage § 1 Anmerkung 7 Seite 29 am Ende). Denn auch insoweit sind die Beweisregeln des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) anzuwenden. Sie beruhen auf der Erfahrung, daß typische Ursachen gewisse Folgen zu zeitigen pflegen, die deshalb ohne weiteren Nachweis rein erfahrungsmäßig nach dem ersten Anschein unterstellt werden dürfen (vergleiche BGH 1951-04-17 I ZR 28/50 = BGHZ 2, 1-5; BAG 1956-08-23 2 AZR 405/55 = AP Nr 1 zu § 139 ZPO; BAG 1958-08-29 3 AZR 623/57 = AP Nr 1 zu § 282 ZPO; BAG 1955-06-08 2 AZR 200/54 = AP Nr 1 zu § 618 BGB). Beim Anscheinsbeweis kann nicht nur von einem feststehenden Ereignis auf den Zusammenhang mit einem eingetretenen Erfolg, sondern auch umgekehrt von einem eingetretenen Erfolg auf ein bestimmtes Ereignis als Ursache geschlossen werden (vergleiche BGH 1956-07-10 VI ZR 199/55 = LM Nr 26 zu § 286 C ZPO).
Unfälle infolge Trunkenheit sind in jedem Falle als verschuldet anzusehen.
Ein verhältnismäßig hoher, an Trunkenheit grenzender Blutalkoholgehalt läßt nach der Erfahrung den Schluß zu, daß die Trunkenheit die Ursache des Unfalls gewesen ist. Diesen Beweis des ersten Anscheins hat der Arbeitnehmer zu entkräften durch den Nachweis, daß eine ernsthafte Möglichkeit für einen atypischen Geschehensablauf besteht.
Fundstellen
BB 1966, 1066 (LT1) |
DB 1966, 986 |
ArbuSozR 1967, 34 |
PraktArbR, ArbKrankhGes Nr 78 (L) |