Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafenvereinbarung. Zulässigkeit in vorformulierten Verträgen nach der Schuldrechtsreform. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten. Herabsetzung einer der Höhe nach unzulässigen Vertragsstrafe
Leitsatz (amtlich)
1. Die formularmäßige Vereinbarung einer Vertragsstrafe wegen vertragswidriger Lösung vom Arbeitsvertrag ist nach § 309 Nr. 6 BGB seit dem 01.01.2002 unzulässig. Der Unzulässigkeit einer derartigen Vereinbarung stehen keine im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB entgegen.
2. Eine der Höhe nach gemäß § 307 Abs. 1 BGB n.F. unwirksame Vertragsstrafe kann nicht nach § 343 BGB herabgesetzt werden.
Normenkette
BGB n.F. § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 S. 2; AGBG § 11 Nr. 6; BGB §§ 339, 343
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.07.2002 – 3 Ca 1287/02 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Vertragsstrafe.
Am 23.01.2002 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, in dem die Einstellung der Beklagten als Verkäuferin bei der Klägerin ab dem 01.03.2002 zu einer monatlichen Bruttovergütung von 3.600,00 DM = 1.840,65 EUR vereinbart wurde.
In § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 23.01.2002 ist eine regelmäßige Arbeitszeit von 50 bzw. 55 Stunden wöchentlich vorgesehen.
Nach § 2 des Arbeitsvertrages war eine sechsmonatige Probezeit mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart.
§ 11 des Arbeitsvertrages vom 23.01.2002 lautet wie folgt:
Tritt der/die Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er/sie das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der/die Arbeitnehmer/in an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Brutto-Monatsgehalt/-lohn zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.”
In § 12 des Arbeitsvertrages war u.a. vereinbart:
„Das Arbeitsverhältnis kann nach Ablauf der Probezeit beiderseits mit einer Frist von
- [] 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (gesetzliche Mindestkündigungsfrist)
- [] 4 Wochen (gilt nur für Kleinbetriebe bis 20 Arbeitnehmer gemäß § 622 Abs. 5 Nr. 2 BGB)
gekündigt werden. Ist nichts anderes vereinbart, gilt eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Ende des Kalendermonats.
- Soweit dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin aufgrund gesetzlicher Vorschriften nur mit einer verlängerten Frist gekündigt werden darf, gilt diese verlängerte Kündigungsfrist auch für eine Kündigung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Eine verspätet zugegangene Kündigung gilt als Kündigung für den nächstzulässigen Zeitpunkt. Eine fristlose Kündigung gilt vorsorglich auch als fristgemäße Kündigung für den nächstzulässigen Zeitpunkt. Eine Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig.
- …”
Der Arbeitsvertrag (Bl. 3 ff.d.A.) wurde von den Parteien am 23.01.2002 unterzeichnet. Beim Arbeitsvertrag handelte es sich um einen sogenannten OT-Vertrag, gedruckt für die OT-Mitglieder der Einzelhandelsorganisationen. Eine Ausfertigung des Arbeitsvertrages wurde der Beklagten später zugesandt.
Mit Schreiben vom 27.01.2002 (Bl. 7 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr S1xxxxxx,
aus persönlichen Gründen werde ich nicht am 01. März 2002 in Ihrem Unternehmen beginnen und kündige hiermit den am 23. Januar 2002 mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag.”
Mit Schreiben vom 30.01.2002 (Bl. 80 d.A.) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten daraufhin die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.840,65 EUR geltend.
Diese Forderung wies die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 05.02.2002 (Bl. 21 ff. d.A.) zurück und ließ den Arbeitsvertrag u.a. deshalb anfechten, weil arbeitgeberseitig hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit nachträglich gegen gesetzliche und tarifliche Bestimmungen verstoßende Eintragungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden seien.
Die Klägerin erhob daraufhin am 08.05.2002 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch ihre Kündigung vom 27.01.2002 nach § 11 des Arbeitsvertrages eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes verwirkt. Die Beklagte habe vertragswidrig das Arbeitsverhältnis zum 01.03.2002 nicht angetreten. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, den Inhalt des Arbeitsvertrages nicht gekannt zu haben. Sie habe am 23.01.2002 ausreichend Gelegenheit gehabt, sich den Vertrag in Ruhe durchzulesen. Nachträgliche Änderungen seien im Arbeitsvertrag nicht einseitig vorgenommen worden. Die Änderung von 55 auf 50 Wochenstunden sei durch den Inhabe...