Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsanspruch; Suspendierung; einstweilige Verfügung. Beschäftigungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Die einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ist regelmäßig nur aus wichtigem Grund als vorläufig milderes Mittel zur Vermeidung einer sofortigen außerordentlichen Kündigung zulässig.
Leitsatz (redaktionell)
Die einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ist angesichts des Rechtscharakters der Beschäftigungspflicht als zumindest einer wesentlichen Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag nur unter den Voraussetzungen des § 626 BGB als vorläufig milderes Mittel zu Vermeidung einer sofortigen außerordentlichen Kündigung zulässig.
Normenkette
BGB §§ 611, 613, 242, 823, 1004
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 13.02.2001; Aktenzeichen 2 Ga 14/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 13.02.2001 – 2 Ga 14/01 – abgeändert:
1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Zwangsgeldes von 50.000,00 DM aufgegeben, den Antragsteller einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder als Leiter der Vertriebsdirektion Makler der Colonia Versicherung AG und der Nordstern Allgemeinen Versicherungs-AG innerhalb der Zweigniederlassung München nach Maßgabe des Dienstvertrages vom 12.02.1996 zu beschäftigen.
2. Der Antragsgegnerin wird ferner bei Meidung eines Zwangsgeldes von 50.000,00 DM aufgegeben, die Wiederbeschäftigung auf demselben Wege im Betrieb bekannt zu geben, der gewählt wurde, um die Mitarbeiter über die Freistellung des Antragstellers zu informierten.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
4. Der Beschwerdewert wird auf 45.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Beschäftigung des Antragstellers im Rahmen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses.
Der Antragsteller ist aufgrund des Dienstvertrages vom 12.02.1996 (Kopie Bl. 11 ff. d. A.) als „Vertriebsdirekor” mit der Leitung der Vertriebsdirektion M gegen eine Vergütung von zuletzt 156.699,00 DM jährlich zuzüglich Bonifikation und Dienstwagen beschäftigt gewesen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Antragsteller leitender Angestellter im Sinne des BetrVG ist. Die Abteilung Maklervertrieb, der der Antragsteller als Leiter vorstand, besteht aus 13 angestellten Mitarbeitern.
Unter dem 05.02.2001 wurde der Antragsteller von seiner Leitungsaufgabe freigestellt, was seinen Mitarbeitern und den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern noch am selben Tag mitgeteilt wurde. Ebenfalls am 05.02.2001 wurde dem Antragsteller schriftlich angeboten, mit sofortiger Wirkung die Funktion eines Maklerbevollmächtigten der Zweigniederlassung M im Raum N zu übernehmen. In dieser Funktion wäre er dem Leiter der Vertriebsdirektion M der Niederlassung M unterstellt und würde den Titel „Filialdirektor” tragen.
Die Antragsgegnerin informierte alle Mitarbeiter der Zweigniederlassung München und der Vertriebsdirektion Nürnberg über die Enthebung des Antragsteller aus seiner Position als Leiter der Vertriebsdirektion Makler mit Schreiben vom 06.02.2001 (Kopie Bl. 23 d. A.).
Mit Beschluss vom 13.02.2001 hat das Arbeitsgericht Köln die beantragte einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung und entsprechende Mitarbeiterinformation mangels hinreichenden Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf Bl. 28 d. A. Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 21.02.2001, mit der der Antragsteller seine Anträge unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt.
Die Antragsgegnerin beantragt
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zum Hintergrund der Freistellung trägt sie vor, der Antragsteller sei bereits seit Jahren nicht in der Lage gewesen, die vorgegebenen Vertriebsziele zu erreichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die nach § 78 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Verfügungsansprüche folgen im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung aus den §§ 611, 613, 242 BGB und im Hinblick auf die Beseitigung der Fehlinformation aus den §§ 823, 1004 BGB. Der Antragsteller hat im Rahmen des ungekündigten Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers ist die Kehrseite der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und letztlich aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abzuleiten (vgl. BAG GS vom 27.02.1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).
Die einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ist angesichts des Rechtscharakters der Beschäftigungspflicht als zumindest einer wesentlichen Nebenpflicht des Arbeitgebers aus den Arbeitsvertrag nur unter den Voraussetzungen des § 626 BGB als vorläufig milderes Mittel zu Vermeidung einer sofortigen außerordentlichen Kündigung zulässig (vgl. ErfK/Preis, § 6121 BGB Rdnr. 829). Die Antragsgegnerin hat mit der Beschwerdeerwiderung einen solchen Suspendi...