Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortszuschlag - Ehegatte im öffentlichen Dienst - Wegfall der Bereicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Frage, ob dem Empfänger von Ortszuschlag nach § 29 BAT der ehegatten-bezogene Teil (Differenz zwischen Stufe 1 und Stufe 2) nur Hälfte gezahlt wird, ist die Tätigkeit des Ehegatten in einem kirchlichen Krankenhaus dem öffentlichen Dienst gleichzustellen, wenn dort ein Ortszuschlag beispielsweise nach § 29 BAT-KF gezahlt wird.
2. Für die einzelnen Voraussetzungen der Gleichstellung gilt folgendes:
a. Der BAT-KF enthält wegen der in allen relevanten Punkten mit § 29 BAT wortgleichen Fassung jedenfalls eine "vergleichbare Regelung".
b. Die erforderliche "Beteiligung" der öffentlichen Hand an dem kirchlichen Arbeitgeber liegt schon dann vor, wenn dieser durch Investitionskostenzuschüsse nach den Krankenhausfinanzierungsgesetzen des Bundes oder des Landes gefördert wird.
c. Weil für Arbeitnehmer deren tariflicher Anspruch auf den Ortszuschlag als zwingenden Mindestnorm zu schützen ist, ergeben sich Bedenken gegen eine schlichte Übernahme der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Verwaltungsvorschriften zur Beamtenbesoldung, wonach eine Entscheidung der zuständigen Stelle nach § 29 Abschnitt B Absatz 7 Satz 4 BAT entbehrlich wäre (Abgrenzung zu BAG vom 17.12.1992 - 6 AZR 249/91 -)
3. Bei einer geringfügigen Überzahlung von Ortszuschlag (zB monatlich weniger als 2 % der Brutto-Dienstbezüge) ist grundsätzlich ein Wegfall der Bereicherung anzunehmen, weil nach den Lebenserfahrung die Überzahlung lediglich zu einer Verbesserung der allgemeinen Lebenshaltung verwendet worden ist (BVerwG: "Unterhaltsrente"); das gilt nicht nur für untere und mittlere Einkommensgruppen und für Arbeitnehmer gleichermaßen wie für Beamte (Abgrenzung zu BAG vom 18.09.1986 - 6 AZR 517/83 -).
4. Hat der (öffentliche) Arbeitgeber mit "Richtlinien über die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge" gegenüber allen Arbeitnehmern auf die konkrete Darlegung des Wegfalls der Bereicherung für den Fall verzichtet, daß zuviel gezahlte Bezüge bei wiederkehrenden Leistungen 10 % aller für den Zeitraum der Überzahlung zustehenden Bezüge, höchstens jedoch monatlich 200,-- DM nicht übersteigen, dann ist er daran nach Treu und Glauben auch im Rechtsstreit gebunden (teilweise ebenso BAG vom 18.09.1986).
5. Der positiven Kenntnis des Leistungsempfängers von dem Mangel des rechtlichen Grundes ist zumindest beim Ortszuschlag der Fall des offensichtlichen Mangels gleichzusetzen; dieser liegt dann vor, wenn der Mangel nur deshalb dem Leistungsempfänger nicht bekannt war, weil dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (zB bei der Beantwortung von Fragen des Arbeitgebers) in ungewöhnlichem Maße außer acht ließ.
6. Dazu genügt es wegen der Kompliziertheit der tariflichen Regelung zumindest bisher nicht, daß der Arbeitnehmer die Tätigkeit seines Ehegatten in einem kirchlichen Krankenhaus nicht unaufgefordert und auch nicht auf die allgemeine Rückfrage nach Tätigkeiten im öffentlichen Dienst gemeldet hat. Die verschärfte Haftung des Arbeitnehmers nach § 818 Abs 4, 819 Abs 1 BGB konnte vielmehr dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber darauf hingewiesen hat, daß die Tätigkeit im Dienst eines kirchlichen Arbeitgebers dem öffentlichen Dienst gleichstehen kann, oder wenn er konkrete Auskünfte für eine Prüfung nach § 29 Abs 7 Satz 3 BAT verlangt, also unter anderem nach Tarifverträgen, Ortszuschlagsregelungen und nach vorhandenen Kenntnissen des Arbeitnehmers über eine "Beteiligung" der öffentlichen Hand gefragt wird.
Normenkette
BGB § 82 S. 1, § 820 Abs. 1, § 818 Abs. 4, 3, § 812 Abs. 1 S. 1; BAT § 29 Abschn. B Abs. 2, 5, 7
Verfahrensgang
Fundstellen
ZTR 1994, 337 (LT1-6) |
Bibliothek, BAG (LT1-6) |