Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafe. Formularvertrag. Überraschungsklausel. Kündigungsbeschränkung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen war jedenfalls bis zur Schuldrechtsreform 2002 grundsätzlich zulässig – und zwar auch in einem Formularvertrag, auch einseitig bechränkt auf den Arbeitnehmer, ohne dass das AGB-Gesetz (§ 11 Nr. 6 AGBG) dem entgegenstand.
2. Vertragsstrafenklauseln in Arbeitsverträgen sind nicht unüblich. Wer unter Berufung auf eine Unüblichkeit die Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung begründen will, trägt für die Unüblichkeit die Darlegungs- und Beweislast.
3. Wer in der Sprache des Arbeitsvertrags keinen Text lesen kann, kann sich nicht darauf berufen, eine Vertragsklausel sei durch die Gestaltung des Textes der Aufmerksamkeit des Lesers entzogen worden.
4. Es ist grundsätzlich zulässig, in einem Arbeitsvertrag die ordentliche Kündbarkeit (beiderseits) nur für bestimmte Jahreszeiten (Saison) auszuschließen.
Normenkette
BGB §§ 339, 309 Nr. 6 n.F., § 310 Abs. 4 S. 2 n.F., § 624; AGBG § 11 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 12.04.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2443/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.04.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 1 Ca 2443/00 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
- an den Kläger 1.834,37 DM netto nebst 10 % Zinsen seit dem 08.09.2000 zu zahlen;
- dem Kläger Lohnabrechnungen für Juli und August 2000 zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu ¾, der Beklagten zu ¼ auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Parteien streiten um restliche Vergütungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Die Beklagte, die ein Transportunternehmen betreibt und als Subunternehmerin für den P. tätig ist, beschäftigte den Kläger ab November 1999 als Fahrer. Dieser kündigte mit Schreiben vom 03.08.2000 (Bl. 20) zum 07.08.2000 und fordert vorliegend (restliche) Vergütung für die Monate Juni bis August 2000 sowie Urlaubsabgeltung. Das Arbeitsgericht hat 2.550,– DM netto für Juli 2000, 443,47 DM netto für August 2000 und 1.390,90 DM netto als Urlaubsabgeltung für 12 Tage zugesprochen sowie die Beklagte zur Erteilung von Lohnabrechnungen für Juli und August 2000 verurteilt.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter und meint, der Gehaltsanspruch des Klägers für Juli 2000 sei durch die von ihr erklärte Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Vertragsstrafe (Zf. X. des Arbeitsvertrages = Bl. 12) erloschen. Die Vertragsstrafe sei verwirkt, weil der Kläger ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ausgeschieden sei, worauf er nach Ausspruch der Kündigung hingewiesen worden sei. Der Urlaubsanspruch des Klägers für 1999 sei verfallen, der für 2000 in Höhe von sieben Werktagen durch Erfüllung untergegangen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenabreden mit Rechtsausführungen. Er könne wegen seiner russischen Herkunft deutsch nicht lesen und sei auf die Vertragsstrafe nicht hingewiesen worden, so dass er von ihr erst nach Ausspruch der Kündigung erfahren habe. Im Übrigen habe er sich mit dem Ehemann der Beklagten auf ein einvernehmliches Ausscheiden geeinigt. Der Urlaub für 2000 sei nicht verfallen und der somit sich ergebende Gesamturlaubsanspruch von 15 Arbeitstagen nur in Höhe von drei Tagen erfüllt worden.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist erfolgreich, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung der Julivergütung richtet: Dieser Klageanspruch ist durch die von ihr erklärte Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Vertragsstrafe (Zf. X. des Arbeitsvertrages = Bl. 12) erloschen. Die Vertragsstrafenvereinbarung war nicht unwirksam:
Die Vereinbarung von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen ist zulässig (BAG, Urteil vom 23.05.1984 – 4 AZR 129/82 in AP Nr. 9 zu § 339 BGB; Urteil vom 05.02.1986 – 5 AZR 564/84 in AP Nr. 12 zu § 339 BGB; Urteil vom 27.04.2000 – 8 AZR 301/99 n.v.; Moll in Tschöpe. Anwaltshandbuch Arbeitsrecht 1998, S. 561 Rn. 3) – und zwar auch in einem Formularvertrag (BAG, Urteil vom 23.05.1984 – 4 AZR 129/82 in AP Nr. 9 zu § 339 BGB; Moll in Tschöpe. Anwaltshandbuch Arbeitsrecht 1998, S. 562 Rn. 4) und auch einseitig beschränkt auf den Arbeitnehmer (LAG Berlin, Urteil vom 19.05.1980 – 9 Sa 19/80 in AP Nr. 8 zu § 339 BGB; Moll a.a.O. S. 562 Rn. 6).
Das AGB-Gesetz steht der Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen nicht entgegen: § 11 Nr. 6 AGBG ist weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (BAG, Urteil vom 05.02.1986 – 6 AZR 564/84 in AP Nr. 12 zu § 339 BGB unter B II 2; Pauly in NZA 1997, 1030).
Die Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ist auch nicht überraschend, wobei dahinstehen mag, aus welc...