Entscheidungsstichwort (Thema)
Diebstahl geringwertiger Sachen. heimliche Videoüberwachung; Beweisverwertungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Die Verwertung heimlicher Videoaufnahmen von öffentlich zugänglichen Räumen (hier: Kassenbereich eines Supermarkts) kann im Kündigungsschutzprozess in verfassungskonformer Einschränkung des § 6 b Abs. 2 BDSG zulässig sein, wenn sich der Arbeitgeber in einer notwehrähnlichen Lage befindet und die heimliche Videoüberwachung nicht unverhältnismäßig ist.
Normenkette
BDSG § 6b Abs. 2; BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Aktenzeichen 8 Ca 722/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 23.01.2009 nicht vor dem 31.07.2009 beendet worden ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 23.01.2009, die hilfsweise fristgerecht zum nächst zulässigen Termin ausgesprochen wurde.
Die Klägerin war zum Kündigungszeitpunkt 50 Jahre alt und seit September 1990 als Verkäuferin, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, in der Filiale K der Beklagten gegen eine monatliche Vergütung von ca. 1.400,00 EUR im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung tätig.
Am 20.01.2009 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung wie folgt an (Kopie Blatt 33 d. A.):
„In der Filiale Kerpen 1 wurde aufgrund sehr hoher Inventurdifferenzen ein Kameraeinsatz geplant, dem Sie am 21.11.2008 für den Zeitraum von vier Wochen zugestimmt haben. Daraufhin wurden die Kameras vom 01.12.2008 bis zum 22.12.2008 installiert und das Filmmaterial danach ausgewertet. Am 12.01.2009 wurde uns das Filmmaterial übergeben.
Im Beisein von Herrn K vom Betriebsrat konnten wir auf der CD sehen, wie Frau K abends nach 20:00 Uhr an den Kassen aufräumt. Dabei öffnet sie den Zigarettenträger einer Kasse und entnimmt einige Schachteln Zigaretten. Danach werden diese in den Fächern für die Tüten verstaut. Der Zigarettenträger wird wieder verschlossen. Einige Minuten später kehrt Frau K an die Kassen zurück und entnimmt den Fächern die Zigaretten. Schnell werden diese in der Bluse verstaut.
Am 13.01.2009 wurden diese Bilder bzw. kurzen Filme Frau K gezeigt. An dem aufklärenden Gespräch nahmen Herr L (Gebietsverkaufsleiter), Herr L und Herr K (Verkaufsleiter) teil. Frau K kann sich nicht erklären, was sie auf den Bildern macht. Auf Rückfrage von Herrn L erkennt sie sich jedoch auf den Bildern und kann auch die Zigarettenschachteln sehen. Weiter möchte Frau K jedoch zu den Vorwürfen nichts sagen. Sie gibt nicht zu, Zigaretten entwendet zu haben. Frau K kann jedoch auch nicht erklären, aus welchem Grund sie zu dieser Zeit (nach Ladenschluss) nochmals den Zigarettenträger öffnet. Zunächst behauptet sie, den Trägern Müll zu entnehmen. Bei Vergrößerung der Aufnahme konnte aber auch sie die Schachtel Marlboro light in ihrer Hand erkennen. Außerdem macht es keinen Sinn den angeblichen Abfall im Regal für Tüten an der nächsten Kasse zu verstauen. Dafür hatte Frau K auch keine Erklärung. Letztlich hat sie sich in Widersprüche verstrickt, wollte jedoch kein Schuldanerkenntnis schreiben. Herr L stellte Frau K nach dem Gespräch von der Arbeit frei. Frau K wurde mitgeteilt, dass sie nun die arbeitgeberseitige Kündigung zu erwarten habe.
Die Aufklärungsarbeit zu dem Vorfall bestärkt uns, dass hier eine wiederholte Entwendung von Zigaretten und damit eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung vorliegt. Wir ziehen deshalb in Betracht, gegenüber Frau K eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Tat- bzw. eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Verdachtskündigung auszusprechen.
Wir bitten um Ihre abschließende Stellungnahme.”
Die Klägerin hat bestritten, Zigaretten entwendet zu haben. Sie hat vorgetragen, ihre Aufgaben erledigt zu haben, wozu es gehöre, dass Zigarettenregal ein- und auszuräumen und zu ordnen.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, sie als stellvertretende Filialleiterin in deren Niederlassung in K in vereinbarter Teilzeit bei 24-Stunden pro Woche tatsächlich zu beschäftigen,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 23.01.2009 sein Ende gefunden hat,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristgerechte zum nächst möglichen Termin ausgesprochene Kündigung vom 23.01.2009 sein Ende gefunden hat, sondern zu den Konditionen des abgeschlossenen Arbeitsvertrages unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, aufgrund der vorliegenden Videoaufzeichnungen sei nachgewiesen, dass sich die Klägerin sowohl am 06.12.2008 als auch am 17.12.2008 jeweils zumindest eine Packung Zigaretten zugeeignet habe. Zumindest bestehe ihr gegenüber ein dringender Ta...