Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. betriebsbedingt. Treuhandanstalt. Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Dienststelle. Verwaltungen des öffentlichen Rechts. Verwaltungszweig. Dienstort. anderweitige Beschäftigung. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG (Kleinbetriebs vorbehalt) stellt für den Bereich des öffentlichen Dienstes nicht auf die Größe der Dienststelle ab, sondern auf die der „Verwaltung”. „Verwaltung” im Sinne der Vorschrift ist bei Arbeitsverhältnissen mit einer Anstalt des öffentlichen Rechts die Anstalt insgesamt.
2. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die eine Kündigung ausschließen, unterliegen für den Bereich des öffentlichen Dienstes der räumlichen Beschränkung aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG – d.h., daß der öffentliche Arbeitgeber in der Regel nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer in einer Dienststelle außerhalb seines Dienstortes samt Einzugsgebiet zu beschäftigen.
3. Die Beschränkung auf denselben Dienstort in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG gilt für beide dort aufgeführten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten – also auch für den anderen Arbeitsplatz in „derselben” Dienststelle. Also sind räumlich entfernt liegende Dienstnebenstellen oder Dienststellenteile im Sinne von § 6 Abs. 3 BPersVG nicht zu berücksichtigen.
4. Zur Frage, wann eine „andere Dienststelle” i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG vorliegt.
5. Es ist fraglich, ob der (weitergehende) personalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff der Personalvertretungsgesetze in das Kündigungsschutzrecht übernommen werden kann.
6. Dienststelle i.S.v. § 6 Abs. 1 BPersVG sind organisatorische Einheiten, die mit einem selbständigen Aufgabenbereich und mit organisatorischer Selbständigkeit ausgestattet sind. Bei Prüfung der Selbständigkeit ist zu beachten, daß in der öffentlichen Verwaltung der mögliche Umfang der organisatorischen Verselbständigung von vornherein begrenzt ist. Die formale Befugnis des Dienststellenleiters, Mitarbeiter einzustellen, ist für die erforderliche Selbständigkeit der Dienststelle da keine Voraussetzung, wo eine Aufgabenverteilung im Personalbereich zwischen Beschäftigungsstelle und zentralem Personaldezernat zur wesentlichen Struktur der Verwaltung gehört. An ihre Stelle kann ein von der Verwaltung grundsätzlich respektiertes Vorschlagsrecht des Dienststellenleiters treten.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 2, § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2b; BPersVG § 6 Abs. 1; BPerVG § 6 Abs. 3; BPersVG § 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 12.07.1995; Aktenzeichen 4 Ca 3060/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 12.07.1995 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 4 Ca 3060/94 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: unverändert.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung vom 30./31. August 1994.
Beklagt ist die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) – eine Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt. Wie diese ist sie eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Treuhandanstalt verfügte über eine Zentrale in Be. – sowie über 15 Niederlassungen in den neuen Bundesländern (im einzelnen: Bl. 155). Darüber hinaus unterhielt sie in Bonn ein „Büro B.”, um den Kontakt zum Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen, zu den politischen Parteien und dem Bundesrat zu unterhalten. Seine Aufgaben waren Informationsvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit (Informationsveranstaltungen, Pressearbeit, Präsentation, Berichterstattung, Bearbeitung von Petitionen, im einzelnen: Bl. 20 f.). Das „Büro B.” bestand aus vier bis sechs Mitarbeitern, der Kläger war sein Leiter. Laut Organisationshandbuch der Treuhandanstalt führte das- „Büro B.” das Kürzel „PP” und unterhielt 3 Abteilungen (P P1, P P2 und P P3), von denen der Kläger eine leitete (Bl. 32).
Der Kläger ist Beamter des Landes Niedersachsen im Range eines Regierungsdirektors und war tätig für das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten. Für seine Tätigkeit bei der Treuhandanstalt wurde er antragsgemäß beurlaubt für die Zeit von März 1991 zunächst bis einschl. Februar 1995 (Bl. 30). Dementsprechend wurde er von der Treuhandanstalt ab März 1991 unbefristet als „Direktor des Büro B. der Treuhandanstalt” eingestellt – und zwar „unmittelbar an den Präsidenten berichtend”. Als Dienstort wurde B. vereinbart, als monatliches Gehalt 20.000,– DM. Unter dem 12.08.1991 (Bl. 29) wurde er zum bevollmächtigten Direktor der Treuhandanstalt i.S.v. § 11 Abs. 4 der Satzung der Treuhandanstalt ernannt.
Nach weitgehendem Abschluß ihrer Privatisierungstätigkeit stellte die Treuhandanstalt zum 31.12.1994 ihre ursprünglichen Aktivitäten ein und schloß das „Büro B.”. Restaufgaben werden von der Beklagten abgewickelt. Nach einer Protokollerklärung der Beklagten vom 15.03.1995 (Bl. 56) besteht zwischen ihr und der Treuhandanstalt Rechtsidentität; es habe lediglich ...