Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung. Tarifvertrag. öffentlicher Dienst
Leitsatz (amtlich)
§ 16 Abs. 2 MTArb ist dahin auszulegen, dass dem Mitarbeiter, der keine bezahlte Arbeitsbefreiung in der genannten Zeit erhalten hat neben dem dienstplanmäßigen Freizeitausgleich zusätzlich bezahlte Verkürzung der Arbeitszeit zu gewähren ist.
Normenkette
MTArb § 16 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 08.11.2001; Aktenzeichen 7 Ca 3242/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 8.11.2001 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Auslegung von § 16 Abs. 2 MTArb, der auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr noch ein (bezahlter) Freizeitausgleich von 3 Stunden 12 Minuten zusteht, da sie unstreitig am Samstag, den 14.04.2001 (Ostersamstag), von 12:00 Uhr bis 15:12 Uhr gearbeitet hat. Die Beklagte vertritt hierzu die Ansicht, die Klägerin habe bereits Freizeitausgleich für die Samstagsarbeit erhalten, da ihr am Montag, den 09.04.2002, Freizeitausgleich gewährt worden sei. Die Klägerin versteht die tarifliche Vorschrift dahingehend, dass den Mitarbeitern, die dienstplanmäßig an einem Ostersamstag eingesetzt wären, entweder ab 12:00 Uhr die Arbeitszeit geschenkt wird oder aber sich die gesamte monatliche Arbeitszeit für diese Mitarbeiter um die nach 12:00 Uhr geleistete Arbeitszeit verringert. Nur dann sei nämlich eine bezahlte Freistellung gegeben. Die bloße Verlegung der Arbeitszeit von einem normalen Wochentag auf den Samstag (oder umgekehrt) führe gerade nicht dazu, dass es sich um bezahlte Freizeit handele, sondern lediglich um verlegte Arbeitszeit. Die Beklagte hat der Klägerin für die Zeit nach 12:00 Uhr einen Zeitzuschlag in Höhe von 25 % der Stundenvergütung geleistet.
Das Arbeitsgericht Aachen hat dem Feststellungsantrag der Klägerin entsprochen und die Berufung zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit dem Antrag,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.11.2001 – 7 Ca 3242/01 – kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe von 3 Stunden und 12 Minuten zu, der sich aus ihrer Tätigkeit am 14.04.2001 nach 12:00 Uhr ergibt. Dies ergibt sich durch Auslegung des § Abs. 2 MTArb. Die einschlägige Tarifvorschrift lautet wie folgt:
§ 16 Arbeitszeit an Samstagen und Vorfesttagen
- Soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen, soll an Samstagen nicht gearbeitet werden.
- Soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen, wird an dem Tag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr jeweils ganztägig sowie an dem Tag vor Ostersonntag und vor Pfingstsonntag jeweils ab 12:00 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Monatsregellohnes erteilt. Dem Arbeiter, dem diese Arbeitsbefreiung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht erteilt werden kann, wird an einem anderen Tag entsprechende Freizeit unter Fortzahlung des Monatsregellohnes erteilt.
Protokollnotiz zu Abs. 2:
Die nach Satz 1 zustehende Arbeitsbefreiung an dem Tage vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr ist für Arbeiter, die dienstplanmäßig an allen Tagen der Woche oder im Wechselschicht- oder Schichtdienst arbeiten und deren Dienstplan an einem oder an beiden dieser Tage für die Zeit bis 12:00 Uhr keine Arbeit vorsieht, im Umfang von jeweils 1/10 der für den Arbeiter geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zu gewähren, es sei denn, diese Tage fallen auf einen Samstag oder einen Sonntag, oder bei Arbeitern, deren Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage die Woche verteilt ist, auf einen für den Arbeitgeber regelmäßig freien Tag.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstabensinn zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG vom 21.03.2001 – 10 AZR 41/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43).
Danach ergibt sich, dass die oben zitierte tarifliche Vorschrift dann keinen Sinn hätte, wenn die reguläre ...