Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung der Verfahrensarten vor dem Arbeitsgericht (Urteils- und Beschlussverfahren) in §§ 2 und 2a ArbGG. Bestimmung der Verfahrensart durch den Streitgegenstand. Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess. Urteilsverfahren für Vergütungsansprüche eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verfahrensart, in der ein Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden ist, bestimmt sich nach § 2 und § 2a ArbGG. In den in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen findet das Urteilsverfahren statt (§ 2 Abs. 5 ArbGG), während über die in § 2a ArbGG genannten Arbeitssachen im Beschlussverfahren zu befinden ist (§ 2a Abs. 2 ArbGG).
2. Maßgebend für die Bestimmung der zutreffenden Verfahrensart ist der Streitgegenstand. Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt.
2. Verfahren, die den Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Zahlung von Arbeitsentgelt bzw. einen Vergütungsanspruch eines gemäß § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieds zum Gegenstand haben, sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis und gehören nicht zu den "Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz". Sie sind daher im Urteilsverfahren zu entscheiden.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 5, § 2a Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 37 Abs. 2, §§ 38, 78 S. 2; BGB § 194; ZPO § 308 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 23.08.2023; Aktenzeichen 7 BV 7/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes B-Stadt vom 23. August 2023 - - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die zutreffende Verfahrensart.
Der antragstellende Beteiligte zu 1) ist freigestelltes Betriebsratsmitglied des bei der Beteiligten zu 2) (im Folgenden auch Arbeitgeberin) gebildeten Betriebsrats. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Haustarifverträge der Arbeitgeberin Anwendung. Der Antragsteller erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Entgeltstufe ES 12. Mit Schreiben vom 30. Januar 2023 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Entgeltstufe aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen vom 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22 - voraussichtlich nach unten korrigiert werden müsse. Die Arbeitgeberin vergütete den Antragsteller ab Februar 2023 nur noch unter Zugrundelegung der Entgeltstufe ES 10.
Der Antragsteller hat folgende Anträge angekündigt:
1. der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den Beteiligten zu 1. dadurch iSd. § 78 S. 2 BetrVG zu benachteiligen, dass die Beteiligte zu 2.
a) den Beteiligten zu 1. nach Rückgruppierung seit dem 01. Februar 2023 nach ES 10 und nicht weiterhin mindestens nach ES 12 vergütet,
b) zur Ermittlung des Lohnausfalls des Beteiligten zu 1. eine Vergleichsgruppe aus Montagewerkern und nicht Qualitätsregelkreiswerkern mit Linienspringertätigkeit ("Flexi Gustaf Mann") die stellvertretende Teamsprecher und Meistervertreter waren und zu Grunde legt,
c) dem Beteiligten zu 1. keine Schichtvergütung zahlt, die auf Basis seiner Vergleichsgruppe ermittelt wird, sowie
d) die hypothetische Dauermehrarbeit von 4,5 St./Woche sowie die unregelmäßige hypothetische Mehrarbeit des Beteiligten zu 1. nicht auf Basis der Vergleichsgruppe des Beteiligten zu 1., sondern pauschal über den Betrieb ermittelt und vergütet und
e) hierbei nicht die realen Abwesenheitszeiten (Urlaub und Krankheit) des Beteiligten zu 1., sondern die Abwesenheitszeiten aller Personen der Beschäftigtengruppe Leistungslohn (LL) kumulativ zu Grunde legt.
2. der Beteiligten zu 2. für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtungen nach Ziff. 1 a) - e) ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
3. die Beteiligte zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG zu verpflichten an den Beteiligten zu 1. für die Monate Februar 2023 bis Mai 2023 jeweils 463,00 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. März 2023 auf 463,00 EUR, seit dem 01. April 2023 auf 463,00 EUR, seit dem 01. Mai 2023 auf 463,00 EUR und seit dem 01. Juni 2023 auf 463,00 EUR zu zahlen.
4. die Beteiligte zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG zu verpflichten an den Beteiligten zu 1. für den Monat Mai 2023 1.620,96 EUR netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni ...