Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbegriff. Übergangsmandat. Einstweiliger Verfügung
Leitsatz (amtlich)
1. Bestreitet der Arbeitgeber, dass ein Betriebsrat noch im Amt sei, kann dem Arbeitgeber im Wege einer sog. „Regelungsverfügung” aufgegeben werden, den antragstellenden Betriebsrat bis zur Entscheidung in der Hauptsache als im Amt befindlich zu behandeln.
2. Demgegenüber sind Anträge auf Untersagung entsprechender Äußerungen des Arbeitgebers hierzu ebenso wenig geeignet wie abstrakte Anträge auf „Freistellung zu erforderlicher Betriebsratstätigkeit” oder „Verpflichtung zur Beachtung von Mitbestimmungsrechten”.
3. Verliert eine Betriebsratseinheit einen kleineren Betriebsteil (unter 40 % der Belegschaft) und erhält sie gleichzeitig eine andere, ebenfalls kleinere Betriebseinheit (unter 50 % der Belegschaft) dafür hinzu, behält der Betriebsrat im Hinblick auf die gesetzgeberische Wertung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sein Vollmandat, das sich nunmehr auf die neu hinzugekommenen Beschäftigten erstreckt. Ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG besteht in diesem Fall allenfalls für die Mitarbeiter derjenigen Teileinheit, die aus der Betriebseinheit ausgeschieden sind.
Normenkette
BetrVG § 13 Abs. 2 Nr. 1, § 21a; ZPO § 940
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 19.04.2007; Aktenzeichen 9 BVGa 3/07) |
Tenor
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.04.2007, Az. 9 BVGa 3/07, wird teilweise abgeändert.
II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren 9 BV 566/07 als zuständig für die Mitarbeiter der Betriebsteile B. und C. zu behandeln.
III. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung darüber, ob der für die Niederlassung B. gewählte Betriebsrat nach einer Betriebsänderung noch im Amt ist, sowie über verschiedene hieraus folgende Verpflichtungen.
Die Antragsgegnerin, Konzerntochter der Firma D. GmbH, unterhält verschiedene Niederlassungen, unter anderem unter der Bezeichnung „Firma E., Geschäftsbereich der A. GmbH” diejenige in B.. Dieser Niederlassung – in B. waren zuletzt 14 Mitarbeiter beschäftigt – waren die neun in F. tätigen Arbeitnehmer zugeordnet. Für diese betriebliche Einheit – B. mit F. – ist der Antragsteller als Betriebsrat gewählt.
Unter dem 27.03.2006 schlossen die Antragsgegnerin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, in dem Einigkeit über Umstrukturierungsmaßnahmen erzielt wurde (Anlage zur Antragsschrift, Bl. 6 ff. d.A.). Unter anderem bestand die Änderung in der ab 01.10.2006 geplanten organisatorischen Zuordnung des ursprünglich zu B. gehörigen Betriebsteils F. in die Niederlassung G. der Firma „H. GmbH”; des weiteren heißt es in der genannten Anlage (ebenda, Bl. 10 d.A.):
„Maßnahme Nr. 26: Komplettübernahme von H., NL C. in E., NL B..”
Daneben existiert eine „Beschreibung der Maßnahmen aus Fit for Flow/Netz bei A.”, die, soweit vorliegend von Interesse, folgendes besagt (ebenda, Bl. 11 d.A.):
„5. Komplettübernahme von H., NL C. in E., NL B. (Nr. 26/betroffen: 5 MA in 2008)
- • Das Geschäft von H. C. wird komplett von E., B. übernommen
- • Bis 2008: C. wird nur noch als Platten-/Blechlager genutzt
- • Neubau eines Hochregallagers und Erweiterung der bestehen KASTO Anlage bei E./B.
- • Nach Ablauf des Mietvertrages wird der Standort C. komplett aufgegeben”
Die Betriebsstätte C. beschäftigt insgesamt 13 Arbeitnehmer. Beide Betriebsstätten stehen – ebenso wie vorher die Betriebsstätten B. und F. – unter der Leitung des Prokuristen I.. Die Betriebsstätten B… und C. sind höchstens 18 km voneinander entfernt. Die geplante Zusammenlegung in B. wird sich voraussichtlich bis 2009 verzögern. Bisher ist ein Mitarbeiter von C. nach B. gewechselt.
Mit Schreiben vom 21.03.2007 wies die Geschäftsführung der Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass dieser nach der Zusammenfassung des Betriebs B. mit dem Betrieb C. ein Übergangsmandat wahrnehme, welches am 31.03.2007 auslaufe (Anlage zur Antragsschrift, Bl. 14 d.A.). Der Antragsteller widersprach mit Schreiben seiner Prozessvertreter vom 29.03.2007. Die Antragsgegnerin hielt mit Schreiben vom 02.04.2007 ihren Rechtsstandpunkt aufrecht und wies darauf hin, dass der Antragsteller nach Ablauf des Mandats weder Kostenübernahmen noch Freistellungen geltend machen könne (Bl. 18 d.A.). Der Antrag des Antragstellers auf Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten der Mitarbeiter der Niederlassung C. wurde seitens der Antragsgegnerin abgelehnt. Hierzu sowie zur Frage der Zuständigkeit für die Mitarbeiter des Betriebsteils C. sind Hauptsacheverfahren beim Arbeitsgericht Nürnberg anhängig, letzteres unter dem Aktenzeichen 9 BV 566/07.
Mit seinem am 11.04.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller vorgetragen, der Betriebsleiter I. habe am 29.03.2007 auf einer Mitarbeiterversammlung mitgeteilt, dass er – der Antragsteller – ab 31.03.2007 nicht mehr existent sei, dass man daher bea...