Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Begründungspflicht für arbeitgeberseitige Kündigung in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG. Beweiserleichterung bei offensichtlicher Benachteiligung durch eine Kündigung während der Wartezeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses bedarf individualrechtlich keiner Begründung. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Darlegung der Kündigungsgründe durch das Gericht würde der gesetzlichen Regelung widersprechen.
2. Eine Abstufung und Umkehr der Beweislast, wie sie aus § 22 AGG folgen könnte, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht, ist nicht auf § 612a BGB übertragbar. Allerdings kommt für den Arbeitnehmer eine Beweiserleichterung für die Unwirksamkeit der Kündigung als benachteiligende Maßnahme in Betracht.
Normenkette
KSchG § 1; BGB §§ 612a, 134; RL (EU) 2019/1937 Art. 21 Abs. 5; AGG § 22; AEUV Art. 288 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 30.06.2020; Aktenzeichen 14 Ca 5982/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.06.2020, Az.: 14 Ca 5982/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 25.10.2019 zum 30.11.2019.
Der am 01.06.1968 geborene Kläger ist seit 01.06.2019 bei der Beklagten als Data-Architect im Bereich Data Analytics Center (DA) in der Abteilung DataGovernance, Research and Development (DAG) zu einem Bruttomonatsgehalt von 9.000,00 € zuzüglich Unternehmensbonus beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wird geregelt durch den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 05./08.04.2019 (Bl. 8 d.A.). In VII Nr. 1 Probezeit, Beendigung des Dienstverhältnisses ist eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart, während dieser Zeit kann das Dienstverhältnis beiderseits mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.
Am 19.07.2019 stellte der Kläger einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen fest und benachrichtigte Mitarbeiter der Beklagten. Im Folgenden wurde der Fehler bei der Beklagten behoben und das Bayerische Landesamt für Datenaufsicht als Aufsichtsbehörde teilte am 13.08.2019 mit, dass nach Prüfung des Sachverhalts die ergriffenen Abhilfemaßnahmen als zielführend und ausreichend erachtet würden und dass damit der Vorgang seitens der Behörde abgeschlossen sei (Anlage B3, Bl. 42 d.A.).
Am 02.09.2019 stellte der Kläger einen "Austauschtermin" für eine Besprechung mit seinem Vorgesetzten R... ein und teilte mit: "Hallo R..., wie bereits angerissen, möchte ich mich gerne mit Dir persönlich über die weitere Zusammenarbeit austauschen. Ich bin immer, momentan aber irgendwie noch mehr als sonst, unter Trommelfeuer sowohl von Headhuntern als auch von Projektanbietern, deren teils krasse Angebote ich gerne pauschal ablehnen würde. Dazu müssten wir kurz besprechen, ob wir im beidseitigem Interesse hinsichtlich meinem Gehalt und Ende der Probezeit nochmal Änderungen vornehmen wollen und können".
Mit E-Mail vom 06.09.2019 (Anlage B6, Bl. 46 d.A.) bat der Kläger Herrn R... um eine Kündigung im Rahmen der Probezeit. Er führte dort u.a. aus: "Es tut mir sehr leid, denn ich habe sicherlich mein Bestes gegeben und über weite Strecken auch große Freude an den Aufgaben und besonders auch an der Zusammenarbeit mit Euch gehabt.
Auch wenn ich mich mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schnell neuen Aufgaben widmen kann, wird durch eine Arbeitgeberkündigung meine soziale Sicherheit erhöht. Deshalb meine freundliche Bitte an Euch, die Kündigung auszusprechen." Mit E-Mail vom gleichen Tag teilte der Vorgesetzte dem Kläger mit, dass er dessen Entscheidung bedauere und wies auf die Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende hin: "Das heißt, wir können Deinen Vertrag zum 31.10.2019 kündigen. Du kannst allerdings auch selbst kündigen, dann können wir Dir mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnis entsprechend entgegen kommen."
Mit Mail vom 09.09.2019 (Anlage B8, Bl. 48 d.A.) schlug der Kläger vor, das Thema zunächst einmal ruhen zu lassen, bis Zeit für einen Austausch gefunden worden sei.
Die Beklagte hörte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 24.10.2019 (Bl. 49 d.A.) zur beabsichtigten Kündigung an. Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 51 d.A.) stimmte der Betriebsrat der Kündigung zu. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich mit Schreiben vom 25.10.2019 unter Einhaltung der Probezeitkündigungsfrist zum 30.11.2019.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Kündigungsschutzklage vom 14.11.2019, beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, und der Beklagten am 19.11.2019 zugestellt.
Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Mi...