Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellenausschreibung einer Hochschule für die Leitung der Rechenzentren. Unbegründete Entschädigungsklage eines schwerbehinderten Stellenbewerbers wegen Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch bei offensichtlich fehlenden Erfahrungen im operativen Geschäft eines IT-Bereichs
Leitsatz (redaktionell)
1. Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einer öffentlichen Arbeitgeberin um eine zu besetzende Stelle, hat diese ihn gemäß § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Gemäß § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen offensichtlich die fachliche Eignung fehlt.
2. Ob einem Bewerber “offensichtlich„ die fachliche Eignung im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX fehlt, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle und dem Leistungsprofil des Bewerbers zu ermitteln. Mit dem veröffentlichten Anforderungsprofil bestimmt die öffentliche Arbeitgeberin den Umfang ihrer verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und 3 SGB IX.
3. Es ist sachlich gerechtfertigt und nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine Hochschule mit etwa 8.800 Studierenden für die Leitung ihrer Rechenzentren praktische IT-Erfahrungen und sehr gute IT-Kenntnisse als “Kernvoraussetzungen„ zwingend fordert.
4. Schreibt eine Hochschule als öffentliche Arbeitgeberin eine Stelle zur Leitung ihrer Rechenzentren aus und verlangt sie dazu ausweislich des Anforderungsprofils “Erfahrung in Führung eines IT-Bereichs„, “Erfahrungen in der Steuerung komplexerer IT-Projekte„ sowie “sehr gute Kenntnisse der aktuellen Informationstechnologie„, erfüllt ein schwerbehinderter Bewerber diese Erfordernisse offensichtlich nicht, wenn er ausweislich seines Lebenslaufs in den Bereichen “Marktforschung und Unternehmensberatung„ tätig war und weder aus dem Lebenslauf noch aus den Arbeitszeugnissen ansatzweise ersichtlich wird, dass er die notwendigen Erfahrungen im operativen Geschäft eines IT-Bereichs gesammelt hat.
Normenkette
AGG §§ 15, 7; SGB IX §§ 81-82; GG Art. 33 Abs. 2; AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2; SGB IX § 81 Abs. 2 Sätze 1-2, § 82 Sätze 2-3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 05.04.2016; Aktenzeichen 4 Ca 3306/15) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5. April 2016, Az. 4 Ca 3306/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Hochschule verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.
Der 1965 geborene Kläger ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er verfügt über ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Wirtschaftswissenschaften und wurde 1997 promoviert. Der Kläger bewarb sich am 29.01.2015 auf eine von der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, ausgeschriebenen Stelle mit der Bezeichnung "Leiter/in der Rechenzentren (CIO)". Im Bewerbungsschreiben wies der Kläger darauf hin, dass aus einer Erkrankung eine Schwerbehinderung resultiere, die ihn in der Ausübung der ausgeschriebenen Position nicht beeinträchtigen dürfte. In der Stellenausschreibung heißt es ua.:
"Die Hochschule [...], mit ihren Standorten in [...], bietet Lehre und angewandte Forschung mit einem umfangreichen Präsenz- und Fernstudienangebot in den Bereichen [...]. Derzeit studieren an der Hochschule [...] insgesamt rund 8.800 Studierende, die von 160 Professorinnen/Professoren und ca. 360 Beschäftigten betreut werden.
Die Hochschule sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt
Leiter/in der Rechenzentren (CIO)
Entgeltgruppe bis E 14 TV-L
Zu den Aufgaben gehören:
- Leitung der Rechenzentren aller Standorte einschließlich Personalführung
- Strategische Weiterentwicklung und Ausbau der IT-Infrastruktur
- Planung, Kontrolle und Steuerung der zur Verfügung stehenden Ressourcen
- Leitung von IT-Projekten zur Abbildung von Hochschulgeschäftsprozessen mit IT-Verfahren
- Weiterentwicklung der Management- und Führungsstrukturen
- Anbindung des IT-Betriebs an die Lehre, Forschung und Verwaltung der Hochschule
- Mitarbeit im operativen Geschäft der Rechenzentren
Einstellungsvoraussetzungen:
- Abgeschlossenes Hochschulstudium (Diplom/Master) und einschlägige Berufserfahrung
- Erfahrung in Führung eines IT-Bereichs
- Team- und Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz sowie ein ausgeprägtes Dienstleistungsverständnis
- Erfahrungen in der Steuerung komplexerer IT-Projekte. Wünschenswert sind außerdem Kenntnisse von Hochschulgeschäftsprozessen
- Verständnisse für die Besonderheiten der Hochschulkultur
- Fähigkeiten bei der Gestaltung und Steuerung organisatorischer Veränderungsprozesse
- Sehr gute allgemeine Kenntnisse der aktuellen Informationstechnologie
- Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und Weiterentwicklung
- Bereitschaft zum Einsatz an allen Standorten der Hochschule, ...