Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftform für befristete Arbeitsverträge. Kein Vorbeschäftigungsverbot bei einem Berufsausbildungsverhältnis. Kenntniserlangung und Beschäftigungsfiktion nach § 24 BBiG
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies erfordert eine eigenhändig vom Aussteller mit Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnete Urkunde. Bei einem Vertrag muss nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen.
2. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung nach Satz 1 nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein früheres Berufsausbildungsverhältnis unterfällt diesem Vorbeschäftigungsverbot nicht, weil es kein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist.
3. Die Kenntnis vom Ergebnis der Abschlussprüfung bzw. von der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses und von der Weiterbeschäftigung des Auszubildenden muss regelmäßig bei einer zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Person vorliegen. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen grundsätzlich unbeachtlich. Solange es an dieser Kenntnis bei den "richtigen" Personen fehlt, kann kein Beschäftigungsverhältnis nach § 24 BBiG fingiert werden.
Normenkette
BBiG § 21 Abs. 2, § 24; BGB § 125 S. 1, § 126 Abs. 1-2, §§ 133, 157; TzBfG § 14 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 4, § 16 S. 1; BGB § 625; TzBfG § 15 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 30.11.2020; Aktenzeichen 2 Ca 1016/20) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 4. Juli 2020 geendet hat.
Der 1994 geborene Kläger war bei der Beklagten aufgrund Berufsausbildungsvertrags vom 18. April 2016 (Bl. 136, 137 d. A.) seit dem 1. September 2016 als Auszubildender im Ausbildungsberuf "Industrie-Isolierer" beschäftigt. Im Berufsausbildungsvertrag der Parteien ist festgelegt, dass die Ausbildungsdauer nach der Ausbildungsordnung 36 Monate beträgt und das Berufsausbildungsverhältnis danach am 31. August 2019 enden soll.
Im Sommer 2019 bestand der Kläger die Abschlussprüfung. Am 5. Juli 2019 informierte der Kläger seinen Meister, Herrn L., über das erhaltene Prüfungsergebnis, indem er es bei Arbeitsantritt um 6:00 Uhr auf den Meistertisch legte. Herr L. informierte daraufhin am gleichen Tag um 8:00 Uhr die Personalabteilung der Beklagten per E-Mail darüber, dass der Kläger seine Prüfungsergebnisse erhalten habe (Bl. 43 d. A.). Eine direkte Meldung der IHK an die Beklagte war nicht erfolgt, so dass die Beklagte am Vortag (4. Juli 2019) noch keine Kenntnis von der bestandenen Prüfung des Klägers hatte. Von Seiten der Beklagten wurde ein von ihr unterzeichneter Arbeitsvertrag erstellt, der mit Beginn des 5. Juli 2019 für ein Jahr befristet ist (§ 1 des Arbeitsvertrags) und dem Kläger am 5. Juli 2019 um 9:00 Uhr zur Unterschrift vorgelegt wurde. Der Kläger unterzeichnete den ihm vorgelegten befristeten Arbeitsvertrag am 5. Juli 2019 nicht, weil er diesen zunächst mit dem Betriebsrat besprechen wollte. Er setzte seine Tätigkeit bei der Beklagten fort und arbeitete am Freitag, 5. Juli 2019, und Montag, 8. Juli 2019, ganztags bei der Beklagten. Am darauffolgenden Dienstag wurde er von Seiten der Beklagten freigestellt. Am Mittwoch, 10. Juli 2019, unterzeichnete der Kläger den schriftlichen Arbeitsvertrag, der mit Beginn des 5. Juli 2019 für ein Jahr befristet ist (§ 1 des Arbeitsvertrags), und änderte dabei das handschriftliche Datum über den Unterschriften vom "3. Juli 2019" auf den 10 Juli 2019 ab. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger ein von ihm am 5. Juli 2019 mit nach Hause genommenes Exemplar oder ein ihm erst am 10. Juli 2019 vorgelegtes weiteres - inhaltlich gleichlautendes - Exemplar des befristeten Arbeitsvertrags unterzeichnete.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 (Bl. 21 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihn nach Ablauf der Befristung nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen werde und sein aktueller Arbeitsvertrag zum 4. Juli 2020 ende.
Mit seiner am 7. Juli 2020 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Befristung seines Arbeitsvertrages zum 4. Juli 2020 gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei, nachdem er am 5. und 8. Juli 2019 für die Beklagte gearbeitet habe. Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedürfe die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Eine wirksame Befristung liege nicht vor, weil diese spätestens am 4. Juli 2019 hätte vereinbart werden müssen. Darüber hinaus greife die Fikti...