Verfahrensgang
ArbG Saarlouis (Urteil vom 12.12.1985; Aktenzeichen 2 Ca 50/85) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 12.12.1985 – 2 Ca 50/85 – wird zurückgewiesen.
2) Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger im Falle der Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz zu gewähren.
Der am 24.8.1954 geborene Kläger, der als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70% (spastischer Gang) anerkannt ist, ist seit November 1973 in der Behindertenwerkstätte der Beklagten in Dillingen beschäftigt.
Der Kläger, der die Sonderschule und die Kreisgewerbeschule (Berufsschule) besucht hat, aber über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, wohnt bei seinen Eltern und fährt täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu der Behindertenwerkstätte.
Mit Schreiben vom 7.1.1974 (Bl. 18 d.A.), das der Kläger und sein Vater als gesetzlicher Vertreter gegenzeichneten, bestätigte die Beklagte die Einstellung des Klägers und fasste die Arbeitsbedingungen wie folgt zusammen:
Betreff:
Ihr Arbeitsverhältnis
Sehr geehrter Herr …
mit Wirkung vom 26.11.1973 haben wir Sie unter folgenden Bedingungen als Sonderarbeiter bei uns eingestellt:
Ihre Arbeitszeit wurde wie nachstehend festgelegt:
montags bis freitags |
– |
von 7.30 bis 14.00 h |
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(vorübergehend 6 Std.) |
Mittagspause: |
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von 12.30 bis 13.00 h |
- wir vergüten Ihnen im 1. Beschäftigungsjahr einen Bruttoverdienst von monatlich DM 298,–
- Der Urlaub beträgt 24 Werktage.
Während der ersten sechs Monate Ihrer Tätigkeit bei uns gilt eine Kündigungsfrist von 2 Wochen als vereinbart. Nach Ablauf der Probezeit ist eine Kündigung nur zum Monatsende bei Einhaltung einer zweiwöchigen Frist möglich.
Weitergehende gesetzliche Kündigungs-Schutzbestimmungen werden durch diese Regelung nicht berührt.
Mit der Bezeichnung „Sonderarbeiter” grenzt die Beklagte intern einen Teil der Behinderten wegen ihrer höheren Leistungsfähigkeit von anderen noch schwerer Behinderten ab. Die Sonderarbeiter erhalten eine höhere Vergütung als die übrigen Behinderten.
Der Kläger ist in der Bau- und Möbelschreinerei der als Werkstatt für Behinderte anerkannten Einrichtung der Beklagten in Dillingen eingesetzt, in der 8 Nichtbehinderte, darunter ein Schreinermeister, 2 weitere Sonderarbeiter und ein behinderter Auszubildender beschäftigt sind. In der Bau- und Möbelschreinerei werden u. a. Fenster, Türen, Einbauschränke, Bestuhlungen für alle von der Beklagten wirtschaftlich genutzten Gebäude wie Alten- und Pflegeheime, Seniorenwohnanlagen, Altenwohnungen, Erholungsheime, Kindergärten und Verwaltungsgebäude hergestellt und montiert. Darüber hinaus arbeitet die Bau- und Möbelschreinerei auch für Unternehmen und Privatkunden.
Der Kläger arbeitet täglich zu festen Arbeitszeiten von 7.30 Uhr bis 12.00 Uhr und von 12.30 Uhr bis 16.00 Uhr, wobei die einzelnen Arbeitsstunden von ihm auf einer Arbeitskarte getrennt nach den verschiedenen Aufträgen nachzuweisen sind (vgl. Bl. 55 und 56 d.A.). In der Vergangenheit hat der Kläger auch Überstunden verfahren und ist auf auswärtigen Baustellen der Beklagten zur Montage eingesetzt worden.
Der Kläger erhält einen Stundenlohn von 5,93 DM brutto, ein zusätzliches Urlaubsgeld und ein 13. Monatseinkommen. Von der Beklagten werden Lohnabrechnungen erteilt (vgl. Bl. 120 d.A.).
Von 1973 bis 1978 erhielt der Kläger von der Beklagten bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Lohnfortzahlung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz. Nachdem das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 7.5.1975 (BGBl. I S. 1061) in Kraft getreten war, und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen durch Urteil vom 22.9.1976 (AZ: 8 (6) Sa 728/76 EEK I/556) eine Klage auf Lohnfortzahlung gegen eine Werkstatt für Behinderte abgewiesen hatte, wies das Sozialministerium des Saarlandes mit Schreiben vom 29.9.1977 (Bl. 24 d.A.) die Werkstätten der Beklagten an, ab dem 1.1.1978 keine Lohnfortzahlung mehr zu gewähren, sondern die nach dem erhöhten Beitragssatz zu versichernden Behinderten auf das Krankengeld zu verweisen. Daraufhin wies die Beklagte die Eltern und Erziehungsberechtigten der Behinderten mit Schreiben vom 21.2.1979 (Bl. 26 d.A.) darauf hin, daß ab dem 1.1.1979 der erhöhte Beitragssatz (H) an die Krankenkassen entrichtet werde. Auf die Intervention des Vaters des Klägers (vgl. Bl. 27 d.A.) teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 19.12.1979 (Bl. 30 d.A.) mit, dass die Beiträge zur Krankenversicherung des Klägers ab dem 1.1.1980 nicht mehr nach dem erhöhten Beitragssatz (H), sondern nach dem allgemeinen Beitragssatz (G) berechnet würden. Ab diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger im Falle der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wieder Lohnfortzahlung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz. Mit Schreiben vom 15.5.1984 an alle „Sonderarbeiter” (Bl. 31 d.A.) teilte die Beklagte mit, dass ab dem 1.5.1984 von den Werkstätten der Beklagten ein erhöhter Beit...