Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsgebühr. Nachgeben
Leitsatz (amtlich)
Lässt sich in einem Arbeitsgerichtsverfahren eine Prozesspartei dazu herbei, den Streitgegenstand durch einen „Vergleich” zu regeln, so liegt in diesem prozessualen Verhalten ein Nachgeben i. S. v. § 779 BGB selbst dann, wenn die Regelung einem vollständigen Obsiegen in der Sache entspricht (entgegen LAG Düsseldorf MDR 99, 445); 23 I BRAGO.
Normenkette
BRAGO § 23 Abs. 1; BGB § 779
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Entscheidung vom 17.12.1999; Aktenzeichen 6 Ca 113/99) |
Tenor
wird die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Dessau vom 17.12.1999 kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien beendeten den zwischen ihnen anhängigen Kündigungsschutzprozess in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht mit folgendem
„Vergleich:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass aus der Kündigung vom 24.02.1999 durch die Beklagte keine Rechte mehr hergeleitet werden und der Kläger zu unveränderten Bedingungen als Monteur weiterbeschäftigt wird.
2. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.”
Das Arbeitsgericht setzte auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers für diese Vereinbarung eine Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1 BRAGO inklusive Mehrwertsteuer und 11,00 DM entstandene Auslagen für eine Zustellungsurkunde fest. Hiergegen wendet sich die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde ist im Wesentlichen unbegründet. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers steht für die Vereinbarung aus der Güteverhandlung eine Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1 BRAGO zu. Es handelt sich bei dieser Vereinbarung materiell-rechtlich um einen Vergleich i.S.d. § 779 BGB, insbesondere liegt gegenseitiges Nachgeben vor.
Begründet ist die Beschwerde lediglich hinsichtlich der vom Rechtspfleger für eine Zustellungsurkunde im Vergütungsfestsetzungsverfahren hinzugefügten 11,00 DM. Der angegriffene Beschluss wurde dem Beschwerdeführer nicht mit ZU zugestellt, sondern seinem neuen Verfahrensbevollmächtigten in diesem Verfahren per Empfangsbekenntnis. Auslagen für Zustellung sind daher nicht angefallen.
1.
Gebührentatbestand des § 23 Abs. 1 BRAGO ist ein Vergleich i. S. v. § 779 BGB. Dieser setzt voraus, dass der Streit der Parteien im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners (Klägers) stellt die Vereinbarung aus der Güteverhandlung einen Vergleich dar.
Gegenseitiges Nachgeben sind Zugeständnisse irgendwelcher Art, um zu einer Einigung zu kommen. Das Nachgeben muss sich nicht auf beiden Seiten auf den Streit oder die Ungewissheit der Parteien beziehen. Es genügt auch ein ganz andersartiges Opfer, das eine Partei auf sich nimmt, mag es auch ganz geringfügig sein, selbst wenn es nur ein vermeintliches Opfer ist und objektiv nicht besteht. Das vermeintliche Nachgeben muss allerdings um das Nachgeben des anderen Teiles willen geschehen (vgl. zu alledem Palandt/Sprau, 58. Auflage § 779 RNr. 9 m.w.N.).
2.
Im Streit der Parteien um die Kündigung hat allerdings der Kläger nicht nachgegeben. Die Parteien haben sich auf eine ungekündigte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Der Kläger ist indessen in seinem prozessualen Verhalten der Gegenseite entgegengekommen, indem er dieses Ergebnis des Rechtsstreits als „Vergleich” vereinbarte. Ohne einen solchen Vergleich hätte der Rechtsstreit allenfalls durch übereinstimmende Erledigungserklärung oder durch Anerkenntnisurteil beendet werden können. Im letztgenannten Fall hätte der Beklagte eine halbe Gerichtsgebühr gemäß Nr. 9113 des Gebührenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 ArbGG zahlen müssen.
Im erstgenannten Fall (Beschluss nach § 91 a ZPO) hätte der Beklagte zumindest 3/10 einer Gerichtsgebühr gemäß Nr. 9118 des Gebührenverzeichnisses zahlen müssen. Durch das freiwillige und keineswegs zwangsläufige Entgegenkommen des Klägers, den Rechtsstreit durch „Vergleich” zu beenden, wurden der Gegenseite diese Prozesskosten erspart. Das Nachgeben der einen Seite muss keineswegs mit finanziellen Nachteilen verbunden sein, es genügt auch, wenn sie sich – wie hier – zu einer solchen Vereinbarung herbeilässt, um der Gegenseite Kosten zu ersparen.
Der gegenteiligen Auffassung des LAG Düsseldorf (Beschluss vom 15.10.1998 – 7 Ta 285/98 – = MDR 99, 445 unter Bezugnahme auf LAG Baden-Württemberg, Juristisches Büro 1984, 871) kann aus diesen Gründen nicht gefolgt werden. Sie erscheint auch deshalb widersprüchlich, weil sie einerseits für § 23 Abs. 1 BRAGO davon ausgeht, dass ein Vergleich i. S. v. § 779 BGB nicht geschlossen wurde, andererseits aber offenbar einen Vergleich annimmt, soweit der Rechtsstreit durch die Vereinbarung mit der Kostenpriviligierung der Nr. 9112 des Gebührenverzeichnisses beendet wurde und damit zudem der Tatbestand des § 98 ZPO verwirklicht wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 97 ZPO.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ ...