Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung eines behinderten Stellenbewerbers durch Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch nach nichtbestandenem Eignungstest. Entschädigungsklage des abgelehnten Stellenbewerbers bei unzureichenden Darlegungen der öffentlichen Arbeitgeberin zur Widerlegung vermuteter Benachteiligung
Leitsatz (amtlich)
Eignungstests sind regelmäßig Bestandteil des Auswahlverfahrens. Einstellungsbewerber, die dem Anforderungsprofil entsprechen, werden vom öffentlichen Arbeitgeber benachteiligt, wenn sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil sie einen Eignungstest nicht bestanden haben.
Normenkette
SGB IX § 82 Sätze 2-3; AGG §§ 15, 22, 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 S. 1; SGB IX § 81 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 04.12.2014; Aktenzeichen 2 Ca 624/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 04.12.2014 - 2 Ca 624/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Diskriminierung bei der Bewerbung aufgrund einer Behinderung.
Der Kläger hat einen Fachhochschulabschluss und eine Ausbildung im Ausbildungsberuf "Verwaltungsfachangestellte/r" beim H... erfolgreich absolviert. Zurzeit ist er als Angestellter bei der Beklagten in deren Generaldirektion in M... beschäftigt. Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 70.
Am 27.01.2014 schrieb das K... in F... zum 01.08.2014 Ausbildungsplätze im dualen Studium zur Verwaltungsinformatikerin / zum Verwaltungsinformatiker - Diplom (FH) aus (Bl. 38 d. A.). ). Die Vergütung hätte im ersten Ausbildungsjahr 793,26 € brutto betragen.
In der Ausschreibung heißt es u.a. wie folgt:
" Voraussetzung: Mindestens vollwertige Fachhochschulreife".
Den vollständigen Ausschreibungstext mit ausführlichen Informationen zu den Anforderungen erhalten Sie über das Internet unter ....
.......
Infos zum Auswahlverfahren:
Das Auswahlverfahren beginnt mit einem Eignungstest. Dieser ist in zwei Prüfungsteile gegliedert. Im weiteren Auswahlverfahren werden sich dann noch mündliche und praktische Teile anschließen. Bitte beachten Sie, dass jeder Teil des Auswahlverfahrens das erfolgreiche Absolvieren des vorangegangenen Testteils voraussetzt." (Bl. 38 d.A.)
Das dem Testverfahren nachfolgende Vorstellungsgespräch wird beim K... von einem 7-köpfigen Auswahlausschuss geführt.
Der Kläger bewarb sich am 27.02.2014 und fügte als Anlagen seine Zeugnisse und einen Lebenslauf nebst Schwerbehindertenausweis bei (Bl. 5-14 d. A.). Am 25.03.2014 bearbeitete er den ersten Eignungstest. Als Ausgleich etwaiger auf seine Behinderung zurückzuführender Nachteile wurde ihm für den Test ein gesonderter Raum zugewiesen und mehr Zeit eingeräumt. Er wurde in diesem Zusammenhang von der Ausbildungsleiterin Frau K... R... betreut. Der Kläger bestand diesen Test nicht. Das K... erteilte ihm deshalb mit Schreiben vom 31.03.2014 eine Absage (Bl. 15 d. A.).
Auf den Studienplatz hatten sich inklusive des Klägers 98 Bewerber beworben. Das K... hat eine Schwerbehindertenquote von fast 15 %.
Mit Schreiben vom 16.04.2014 machte der Kläger unter Hinweis auf § 82 S. 2 SGB IX einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG in Höhe von drei Monatsvergütungen geltend (Bl. 16, 17 d. A.). Nachdem das K... mit Schreiben vom 22.05. 2014 eine Entschädigungszahlung ablehnte, erhob der Kläger am 25.06.2014 die vorliegende Zahlungsklage.
Er hat stets vorgetragen, es bestehe die Vermutung seiner Diskriminierung wegen einer Behinderung, da er nicht entsprechend der Verpflichtung in § 82 S. 2 SGB IX zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Er erfülle die Voraussetzungen des Anforderungsprofils und sei nicht offensichtlich ungeeignet. Auch mit einem schlechten Testergebnis habe das K... ihn einladen müssen, denn § 82 S.2 SGB IX schreibe insoweit eine Privilegierung von Schwerbehinderten fest.
Die Beklagte hat stets gemeint, sie habe den Kläger nicht zum Vorstellungsgespräch einladen müssen. Infolge des Nichtbestehens des Tests sei der Kläger offensichtlich ungeeignet, so dass eine Einladung entbehrlich gewesen sei. Das Bestehen des Tests sei Teil des Anforderungsprofils gewesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 04.12.2014 der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2 Monatsgehältern verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Gegen diese der Beklagten am 12.01.2015 zugestellte Entscheidung hat sie am 09.02.2015 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 09.04.2015 am 07.04.2015 begründet wurde.
Die Beklagte ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagte beantragt:
Unter Abänderung des am 04.12.2014 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Flensburg - 2 Ca 624/14 - wird...