Falls keine direkte Leistungsmessung durch objektiv überprüfbare Zielerreichungen möglich ist, hängt das Beurteilungsergebnis notwendigerweise von den subjektiven Wahrnehmungen des Beurteilers ab. Die Wahrnehmung jedes Menschen ist selektiv und von dem geprägt, was er wahrzunehmen erwartet. Vorurteile, Sympathien und Antipathien beeinflussen seine Wahrnehmung bei der Aufnahme der Informationen ebenso wie bei ihrer Verarbeitung und Bewertung.
Häufig wird die Beurteilung einzelner Eigenschaften des Mitarbeiters durch den Gesamteindruck oder anderer besonders ins Auge fallender Eigenschaften überstrahlt (Halo-Effekt).
Hält der Beurteiler den zu Beurteilenden insgesamt für eine beeindruckende Erscheinung, neigt er häufig dazu, auch Einzelmerkmale beim diesem Mitarbeiter entsprechend positiv zu werten.
Ist der Beurteiler ein Ordnungsfanatiker, haben sehr ordentliche Mitarbeiter auch bei anderen Merkmalen oft einen Beurteilungsvorteil gegenüber weniger ordentlichen Kollegen.
Lascher Händedruck, Mundgeruch, häufiges Schwitzen und andere vom Beurteiler als negativ empfundene Persönlichkeitsmerkmale können die Beurteilung negativ überstrahlen.
Der Hierarchie-Effekt besagt, dass Mitarbeiter höherer Hierarchiestufen bei gleicher Merkmalsausprägung oft besser beurteilt werden als Mitarbeiter niedrigerer Hierarchieebenen.
Vom Kleber-Effekt wird gesprochen, wenn der Mitarbeiter längere Zeit nicht befördert wurde. Unter Vermischung von Ursache und Wirkung kann es vorkommen, dass er von seinem Vorgesetzten deshalb negativ beurteilt wird.
Erfahrungen zeigen, dass Vorgesetzte dazu neigen, diejenigen Mitarbeiter besonders gut zu beurteilen, die sie häufig sehen und zu denen sie intensiven beruflichen Kontakt haben (Inter-Gruppen-Effekt).
Weiß oder vermutet der Vorgesetzte, dass der zu beurteilende Mitarbeiter bei einem seiner eigenen Vorgesetzten aus irgendeinem Grund günstig eingeschätzt wird, so wird sich seine Beurteilung häufig an der bekannten oder vermuteten Meinung dieser Bezugsperson orientieren (Bezugspersonen-Effekt).
Die Tendenz, von einmalig erbrachten auffallend guten oder schlechten Leistungen auf die Gesamtleistung des Mitarbeiters zu schließen, wird als Verallgemeinerungs-Effekt bezeichnet.
Ein Mitarbeiter vergisst einmal einen Termin und wird vom Vorgesetzten generell als vergesslich eingeschätzt.
Ein weiterer Beurteilungsfehler ist der Ähnlichkeits-Effekt. Hier sieht der Beurteiler seine eigenen Leistungen als Maßstab. Je mehr der Beurteilte dem Leistungsprofil des Beurteilers ähnelt, desto günstiger fällt für ihn die Beurteilung aus. Je größer die Unähnlichkeit ist, um so ungünstiger wird er beurteilt.
Beim Stimmungslagen-Effekt lässt der Beurteiler seine augenblickliche psychische Stimmung in die Beurteilung einfließen.
Besonders gravierend sind Fehler, die sich aus der Persönlichkeitsstruktur des Beurteilers ergeben:
Beim häufig anzutreffenden Milde-Effekt werden die Mitarbeiter generell zu nachsichtig und zu wohlwollend beurteilt. Dies kann darin begründet sein, dass der Vorgesetzte seine Mitarbeiter nicht verletzen oder ihnen schaden möchte. Vielleicht hat er ihnen gegenüber auch eine grundsätzlich positive Einstellung, oder es fehlt ihm einfach der persönliche Mut, schlechte Leistungen als solche zu kennzeichnen.
Der Strenge-Effekt wirkt dahin, dass an die zu Beurteilenden die relativ hohen Maßstäbe angewandt werden, die der Beurteiler an sich selbst anlegt.
Ein besonders häufig anzutreffender Beurteilungsfehler ist der Mitte-Effekt. Hier besteht die Tendenz, alle Mitarbeiter mehr oder weniger gleich zu beurteilen, um Konflikte in der Gruppe zu vermeiden und dem Problem aus dem Wege zu gehen, Leistungen zu differenzieren und begründen zu müssen.
Obwohl sich Beurteilungsfehler nie ganz ausschließen lassen, kann die Häufigkeit ihres Vorkommens dadurch vermindert werden, dass die Vorgesetzten schriftlich auf die einzelnen Fehlerarten hingewiesen werden. Insbesondere ist deutlich zu machen, welche negativen Auswirkungen einzelne Fehlerarten auf die Effektivität des Beurteilungssystems und die Leistungsbereitschaft der beurteilten Mitarbeiter insgesamt haben können.
Im Rahmen von Schulungen (Verhaltenstrainings, Rollenspiele etc.) könnten den Vorgesetzten Ratschläge zur Vermeidung von Beurteilungsfehlern vermittelt werden.