Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Haushaltshilfe wegen Schwangerschaft und Entbindung. Leistungspflicht nach den Vorschriften der Schwangerschafts- und Mutterschaftshilfe. innerer Zusammenhang zwischen Entbindung und Komplikationen. Begriff. Schwangerschaftsbeschwerden. Kostenerstattung. Weiterführung des Haushalts. Krankheit. Schutzfrist nach der Entbindung
Leitsatz (amtlich)
Haushaltshilfe wegen Schwangerschaft und Entbindung ist nach den Vorschriften über Schwangerschafts- und Mutterschaftshilfe (§ 24c SGB 5) zu leisten, wenn eine Erkrankung unmittelbare und wesentliche Folge einer Entbindung ist. Eine Differenzierung zwischen "üblichen Schwangerschaftsfolgen" und darüber hinausgehenden pathologischen Beschwerden ist zur Abgrenzung der Vorschriften über Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft §§ 24c ff und denen bei Krankheit (hier § 38 SGB 5) nicht sinnvoll.
Orientierungssatz
1. Der innere Zusammenhang zwischen der Entbindung und wegen der Entbindung entstandenen Komplikationen ist dann gegeben, wenn die Spätfolgen der Entbindung innerhalb der Schutzfristen des MuSchG eingetreten sind.
2. Zum Begriff der Schwangerschaftsbeschwerden.
Normenkette
RVO § 199 S. 1; SGB V §§ 38, 13 Abs. 3 S. 1, § 27; MuSchG § 6
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.01.2013 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 12.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2011 verurteilt, der Klägerin 1.634,04 € zu zahlen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine Haushaltshilfe während der Zeit vom 18.03.2011 bis 05.04.2011 in Höhe von noch 1.634,04 €.
Die 1986 geborene, verheiratete Klägerin, Mitglied der Beklagten, entband am 29.12.2010 Zwillinge. Vom 18.03.2011 bis 05.04.2011 nahm sie Leistungen der Haushaltshilfe durch das D. S. in Anspruch (insgesamt 64,50 Stunden). Hierfür wurden ihr durch Rechnung vom 18.07.2011 Kosten (einschließlich Kilometerpauschalen) in Höhe von 1.844,04 € in Rechnung gestellt. Die Klägerin hat den Rechnungsbetrag gezahlt.
Am 30.03.2011 ging bei der Beklagten ein unter dem 24.03.2011 von der Klägerin unterzeichneter Antrag auf Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe wegen Schwangerschaft bzw. Entbindung für 6 Stunden täglich ein. In ihrem Haushalt seien die beiden am 29.12.2010 geborenen Kinder zu versorgen. Die Klägerin legte zugleich Bescheinigungen des Frauenarztes Dr. H. vom 17.3.2011 und 25.03.2011 vor. Darin heißt es, die Klägerin benötige wegen Endometritis, Adnexitis vom 18.03.2011 bis 25.03. 2011 sowie vom 28.03.2011 bis 29.04.2011 eine Haushaltshilfe für täglich 6 Stunden zur Vermeidung eines stationären Krankenhausaufenthalts. In einem weiteren Attest von Dr. H. vom 05.04.2011 heißt es, die Klägerin sei derzeit außerstande, die Kinder ordnungsgemäß zu versorgen. Ursache hierfür sei eine ausgeprägte Senkung mit Schmerzen sowie eine rezidivierende Endometritis-Adnexitis. Er bitte, die Haushaltshilfe antragsgemäß zu verlängern.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK).
Im MDK-Gutachten vom 07.04.2011 führte Dr. W. aus, nach den Attesten des Dr. H. (vom 25.03.2011 und 05.04.2011) liege bei der Klägerin ein Z. n. Zwillingsgeburt am 29.12.2010, eine ausgeprägte Senkung mit Schmerzen und eine rezidivierende Endometritis-Adnexitis vor. Dadurch sei die Klägerin in der Haushaltsführung eingeschränkt. Bettruhe sei nicht erforderlich, Hinweise auf Fieber lägen nicht vor. Insgesamt könne nicht von einem schweren Krankheitsbild ausgegangen werden. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Haushaltstätigkeiten sollten mit ggf. verlangsamter Durchführung möglich sein. Die Kostenübernahme nach Kassensatzung sei im reduzierten Umfang von 2 bis 4 Stunden täglich für bis zu 10 Tage begründet. Zu prüfen sei allerdings, ob und wann andere im Haushalt lebende Personen den Haushalt führen könnten. Im MDK-Gutachten vom 08.04.2011 führte Dr. F. (nach Vorlage eines weiteren Attests des Dr. H. vom 07.04.2011: Endometritis, Wundheilungsstörung der Epi; weiter AB-Therapie, Lokalbehandlung der Epi ≪Schonung≫) aus, neue medizinische Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben; Kostenübernahme sei weiterhin als Mehrleistung nach Kassensatzung begründet.
Mit Bescheid vom 12.04.2011 gewährte die Beklagte der Klägerin die Erstattung von Kosten einer Haushaltshilfe für 4 Stunden täglich zu je 5,25 € für die Zeit vom 18.03.2011 bis 31.03.2011 (Erstattungsbetrag 210 €, 10 Leistungstage). Dem Bescheid war eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt.
Im MDK-Gutachten vom 15.04.2011 führte Dr. D. aus, nachvollziehbar sei, dass Schonungsbedarf bestehe, der die Notwendigkeit von Haushaltshilfe begründen könne. Nicht plausibel sei jedoch der tägliche Umfang der beantragten Haushaltshilfe. Angemessen sei die Unterstützung ...