Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Auflösung von Arbeitszeitkonto. Auszahlung des Lohns für das angesparte Zeitguthaben in einem einzelnen Monat (Störfall). Beitragserhebung nach der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze (analoge Anwendung des § 23a SGB 4)
Leitsatz (amtlich)
Werden Arbeitszeitkonten, die nur dazu dienen, das angesparte Arbeitszeitguthaben durch Minderarbeit in Folgezeiträumen abzubauen, um dadurch einen verstetigt ausgezahlten Arbeitslohn zu erhalten, dadurch aufgelöst, dass der Lohn für das angesparte Zeitguthaben in einem einzelnen Monat ausgezahlt wird (sog Störfall), gilt für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht die monatliche Beitragsgrenze, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 23a SGB IV analog).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.09.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 2.199, 37 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 2.199,37 € im Rahmen einer Betriebsprüfung im Zusammenhang mit der Auflösung von Arbeitszeitkonten für elf ausgeschiedene Mitarbeiter der Klägerin (Beigeladene zu 1) bis 11).
Die Klägerin führt in der Rechtsform der GmbH & Co. KG ein Dienstleistungsunternehmen der Garten- und Landschaftspflege. Für ihre Mitarbeiter führt sie Arbeitszeitkonten zur Verstetigung des Arbeitslohns, um witterungs- und jahreszeitlich bedingte Schwankungen auszugleichen. Im September/Oktober 2013 schieden bei der Klägerin elf Arbeitnehmer aus. Die für diese auf den Arbeitszeitkonten angesparten Überstunden wurden im letzten Monat des Beschäftigungsverhältnisses kumuliert ausgezahlt und als laufender Arbeitslohn für den Auszahlungsmonat verbeitragt bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze.
In den Arbeitsverträgen der Beigeladenen zu 1) bis 11) mit der Klägerin war unter Ziff 1.2 geregelt: „Die Arbeitszeit richtet sich nach § 4 BRTVGaLaBau und den betrieblichen Erfordernissen. Mehrarbeit wird einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und in Schlechtwetterperioden in Freizeitausgleich gewährt.“ Als Entgelt war ein Bruttostundenlohn geregelt.
Für den Prüfzeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung durch. Die Schlussbesprechung erfolgte am 10.06.2015. Mit Bescheid vom 10.06.2015 forderte die Beklagte insgesamt Beiträge und Umlagen iHv 2.572,30 € nach. Davon entfielen 2.199,37 € auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für ausgeschiedene Mitarbeiter wegen der Auszahlung der Überstunden bei Auflösung des Arbeitszeitkontos. Kumuliert gezahlte Überstundenvergütungen oder Auflösungen von Arbeitszeitkonten seien stets steuer- und beitragspflichtiges und aufgrund ihrer Zeitbezogenheit laufendes Arbeitsentgelt. Zur Vereinfachung könne bei Nachzahlungen die Regelung für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt angewandt werden. Dabei sei die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze des Nachzahlungszeitraums zugrunde zu legen. Zur Berechnung der Beiträge sei hier in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung lediglich die monatliche Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt worden. Dadurch sei der diese Grenze übersteigende Bruttolohn nicht der Sozialversicherungspflicht unterworfen worden; die fehlenden Beiträge würden nachgefordert.
Mit ihrem Widerspruch vom 30.06.2015 wandte sich die Klägerin gegen eine Abgabepflicht jenseits der Beitragsbemessungsgrenzen. Die überschießende weitere Zahlung aus dem Störfall (Verwendung des Arbeitszeitkontos nicht für Freistellung, sondern durch Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) wirke sich nicht aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei den geführten Arbeitszeitkonten handele es sich ausschließlich um „Schlechtwetterkonten“, um saisonbedingte Ausfallstunden aufzufangen. Erfasste Überstunden würden regelmäßig in Freizeit ausgeglichen. Es handele sich daher nicht um Wertguthabenkonten oder Altersteilzeitvereinbarungen. Somit sei die Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse nicht als Störfall anzusehen; ein solcher ergebe sich nur bei Wertguthabenkonten und sei dann besonders zu berechnen. Kumuliert gezahlte Überstunden und Auflösungen von Arbeitszeitkonten seien stets laufendes Arbeitsentgelt und dem Monat zuzuordnen, in dem sie erarbeitet seien. Bei Nachzahlungen sei die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze des Nachzahlungszeitraums zugrunde zu legen. Dies sei hier nicht erfolgt, da der gesamte Betrag einem Monat zugeordnet worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 23.11.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, welche die Klägerin auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der zeitlichen Zuordnung der Nachzahlunge...