Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2. Unfallereignis. gesundheitsschädigende Einwirkung. Nachweis im Vollbeweis. Kontakt mit einer Indexperson. positiven PCR-Test. Unfallkausalität/Einwirkungskausalität. Wahrscheinlichkeit. räumliche Nähe und die Dauer des Kontakts. Tragen von Schutzmitteln
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eingangsvoraussetzung für die Anerkennung einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 als Arbeitsunfall ist ein Kontakt mit einer Indexperson während einer versicherten, ggfs betrieblichen Verrichtung.
2. Eine Indexperson ist eine Person, die nachweislich bereits vor dem Versicherten mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert war.
3. Eine solche vorhergehende Infektion kann in der Regel nur durch einen positiven PCR-Test, unter Umständen auch nur durch einen Schnelltest, nachgewiesen werden. Dass die vermeintliche Indexperson vor dem Kontakt unspezifische Symptome gezeigt hatte, reicht nicht aus.
4. Erst wenn ein solcher Kontakt mit einer Indexperson im Vollbeweis gesichert ist, muss auf zweiter Ebene ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen diesem Kontakt und der späteren Infektion des Versicherten bestehen. Hier sind als Indizien unter Umständen die räumliche Nähe und die Dauer des Kontakts oder das Tragen von Schutzmitteln (FFP- oder medizinische Masken) relevant.
Orientierungssatz
Auch eine bakterielle oder virale Infektion kann ein Unfallereignis im Sinne von § 8 Abs 1 S 1 SGB 7 darstellen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine nachgewiesene Corona-Infektion einen Arbeitsunfall darstellt.
Der 1966 geborene Kläger ist als Montierer in der Maschinenbau- und Betriebstechnik der M1 AG beschäftigt.
Am Montag, dem 8. März 2021 wurde der Kläger mittels PCR-Test positiv auf Covid-19 getestet (Bericht des L1 Laborzentrums B1 vom 8. März 2021). Es wurde die Mutation A230637 (N501Y) nachgewiesen, aber die englische und südafrikanische Varianten mit weiteren PCR-Verfahren ausgeschlossen. Die S1 und F1 bestätigten am 15. November 2021, dass der Kläger sie am 8. März 2021 wegen einer nachgewiesenen Corona-Infektion aufgesucht hatte und er inzwischen an einem sog. Long-Covid-Syndrom leide.
Erste Symptome bestanden nach Angaben des Klägers ab 5. März 2021. Eine positiver Schnelltest wurde bereits am 6. März 2021 durchgeführt. Vom 8. März bis 4. Oktober 2021 bezog der Kläger Krankengeld.
Am 13. Oktober 2021 teilte die für den Kläger zuständige Krankenkasse AOK B2 der Beklagten mit, sie gehe - auf Grund der Angaben des Klägers - davon aus, dass der Kläger als Folge eines Arbeitsunfalles an Covid 19 erkrankt sei. Die Annahme beruhe auf den Angaben des Klägers, der gegenüber der AOK in einem Fragebogen am 7. Oktober 2021 erklärt habe, er habe auf der Arbeit Kontakt zu einer Indexperson gehabt. Innerhalb des Betriebes habe es nachweislich eine größere Anzahl von an Covid-19 erkrankten Personen gegeben.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die M1 AG am 7. Dezember 2021 mit, in der Abteilung, in welcher der Kläger gearbeitet habe, sei ein Corona-Ausbruch bekannt. Es seien zwei Mitarbeiter hiervon betroffen gewesen. Ob sich der Kläger in der Firma infiziert habe, sei nicht sicher, es sei an den Zeugen O1 als Indexperson zu denken.
Auf hiernach erfolgte Nachfrage der Beklagten übersandte der Zeuge O1 sein (allerdings nur schwer lesbares und nicht eindeutig namentlich gekennzeichnetes) positives PCR-Testergebnis vom 8. März 2021, das ebenfalls einen positiven Nachweis der Spike Mutation N501Y bestätigt.
In der Unfallanzeige vom 22. Februar 2022 führte die M1 AG weiter aus, der Kläger habe einen positiven Schnelltest bereits am 6. März 2021 gemacht, der PCR-Test sei dann am 8. März 2021 positiv ausgefallen. Näher sei das Unfalldatum nicht definierbar. Der Kläger hab in den Tagen zuvor mehrfach kurze „Smalltalks“ mit ihm bekannten Kollegen aus der Nachbarabteilung „QM“ gehalten.
Mit Bescheid vom 17. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2022 lehnte es die Beklagte ab, die Covid-19 Infektion des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die bloße Vermutung, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort unter (nicht genau aufklärbaren) Umständen möglicherweise mit Krankheitserregern infiziert worden zu sein, reiche im Sinne der Beweisanforderungen nicht aus. Bei dem Corona-Virus handele es sich inzwischen um eine Allgemeingefahr/Pandemie, die nur über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sei, wenn eindeutig nachgewiesen werde, dass die Infektion im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten sei. Nachdem der Kläger mit PCR-Test vom 8. März 2021 zeitgleich mit dem als Indexperson in Frage kommenden Kollegen - dem Zeugen O1 - positiv auf das Corona-Virus getestet worden sei, sei von einem zeitgleichen Beginn der Erkr...