Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung von Zeiten der Fach- und Hochschulausbildung als Anrechnungszeiten
Orientierungssatz
1. Nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB 6 sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen hat. Dabei werden bis zu drei Jahre als bewertete und bis zu fünf Jahre als unbewertete Anrechnungszeiten berücksichtigt.
2. Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Ausfallzeiten sind besonders dadurch geprägt, dass sie dem Versicherten angerechnet werden, ohne dass er dafür Beiträge bezahlt. Ausfallzeiten sind Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge. Der Gesetzgeber hat bei deren Ausgestaltung darauf zu achten, dass die Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten bleibt.
3. Diesem Zweck dient die Neuregelung des § 74 S. 4 SGB 6. Sie war zur Sicherung der Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat ausgehend von der zeitlichen Geltung des § 74 S. 4 SGB 6 ab 1. 1. 2005 für rentennahe Jahrgänge die Auswirkungen dieser Vorschrift durch die Übergangsvorschrift des § 263 Abs. 3 S. 4 SGB 4 mit ihrem vierjährigen Abschmelzungsprogramm abgemildert.
4. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Altersrente unter Bewertung der Zeit der Fach- und Hochschulausbildung vom 1. April 1968 bis 30. September 1975 mit 6,9750 persönlichen Entgeltpunkten.
Mit Bescheid vom 28. September 1995 hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt) gegenüber dem am 24. September 1948 geborenen Kläger nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis 31. Dezember 1988, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind, verbindlich festgestellt. Im Versicherungsverlauf wurde die Zeit vom 1. April 1968 bis 30. September 1971 als Fachschulausbildung und die Zeit vom 15. Oktober 1971 bis 25. November 1975 (mit der Feststellung, dass ab dem 1. Oktober 1975 die Höchstdauer überschritten ist) als Hochschulausbildung ausgewiesen.
In der Rentenauskunft ebenfalls vom 28. September 1995 hatte die Beklagte eine Anwartschaft aus allen Zeiten bei 42,9924 persönlichen Entgeltpunkten und bei 0,8750 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) ermittelt. Sie hatte dabei die Zeit vom 1. April 1968 bis 30. September 1975 mit 6,9750 Punkten (0,1333 x 93 : 100 = 0,1240, höchstens 0,0775 x 90 Monate) bewertet.
Auf seinen Rentenantrag gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. April 2011 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 1. Juni 2011 unter Berücksichtigung eines Versorgungsausgleichs bei 37,7588 persönlichen Entgeltpunkten und 7,8867 persönlichen Entgeltpunkten Ost. Sie bewertete dabei die Zeit vom 1. April 1968 bis 31. März 1971 mit 2,2500 Punkten (0,1344 x 75 : 100 = 1,1008, höchstens 0,0625 x 36 Monate). Die übrige Zeit der Fach- und Hochschulausbildung wurde nicht mit Punkten bewertet.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem geltend gemacht wurde, nach dem Bescheid vom 28. September 1995 seien die beitragsfreien Fach- und Hochschulausbildung mit 6,9750 Entgeltpunkten festgestellt worden, so dass nunmehr noch die Differenz zu berücksichtigen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2011 zurück: Die Berechnung entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Bei der Rentenauskunft handele es sich um keinen Verwaltungsakt mit Bindungswirkung. In § 109 Abs. 4 SGB VI sei daher ausdrücklich geregelt, dass Rentenauskünfte nicht rechtsverbindlich seien. Darüber hinaus habe die Rentenauskunft den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass die Rentenanwartschaft nach den gegenwärtig geltenden Bestimmungen errechnet worden sei und sich unter anderem aus künftig wirksam werdenden neuen Rechtsvorschriften Änderungen ergeben könnten.
Dagegen hat der Kläger am 14. September 2011 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.
Er hat gemeint, der Bescheid vom 28. September 1995 enthalte keine Rentenauskunft.
Mit Urteil vom 28. Januar 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der Fassung des Altersvermögensergänzungsgesetzes (AVmEG) seien Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an eine...