Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsschulden. Arbeitgeber. Rechtsscheinhaftung. Gewerberegister. Strohmann
Orientierungssatz
1.Ob jemand Arbeitgeber ist oder nicht, entscheidet sich auch im Sozialversicherungsrecht nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts. Demnach kommt es darauf an, ob ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, der eine Weisungsbefugnis begründet. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse von den rechtlichen Vorgaben ab, sind erstere entscheidend. Dabei sind vertraglich begründete Rechtspositionen solange auch als tatsächliche Gegebenheiten zu beachten, wie nicht wirksam auf sie verzichtet worden ist.
2.Ein Eintrag in das Gewerberegister begründet noch nicht die Inhaberschaft an einem Betrieb.
3.Die Anzeigepflicht und das Gewerberegister dienen der öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr, nicht der Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen. Das Gewerberegister ist demnach schon kein Rechtsscheinträger, der geeignet wäre, zivilrechtliche Ansprüche zu begründen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine Beitragsforderung, insbesondere die Arbeitgebereigenschaft der Klägerin.
Die 1966 geborene Klägerin war vom 19. Januar 1999 bis 29. Februar 2000 als Inhaberin eines Betriebs mit den Gegenständen Frachtvermittlung, Einzelhandel mit Baustoffen, Kleintransporte im Güternahverkehr, Kurierdienst, Lagerumschlag und der Betriebsstätte K-Str., B zum Gewerberegister angemeldet. Am 29. April 1999 meldete M O (“das freundliche Büro„) der Beklagten die Aufnahme einer Beschäftigung durch den Beigeladenen zu 4) bei der Firma P& F, Inhaberin D. R, zum 1. April 1999. Am 26. August 1999 erfolgte die Abmeldung des Beigeladenen zu 4) zum 31. August 1999.
Mit Beitragsbescheid/letzter Mahnung vom 24. Dezember 2001 machte die Beklagte bei der Klägerin rückständige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.433,87 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 34,00 Euro geltend, nachdem sie zuvor erfolglos mehrfach versucht hatte, diese Beiträge bei der Firma P & F oder dem Beigeladenen zu 6) einzutreiben, der gegenüber ihr - der Beklagten - angezeigt hatte, die Firma ab dem 1. März 2000 übernommen zu haben. Die Klägerin erhob Widerspruch, beantragte die Aussetzung der Vollziehung und machte geltend, dass sie dem Beigeladenen zu 6) eine Existenz als Fuhrunternehmer habe ermöglichen wollen. Deswegen habe sie ihm gestattet, Transport- und Kurierdienste auf ihren Namen zu tätigen, ohne ihm jedoch eine umfassende Vollmacht zu erteilen. Vielmehr habe er sich für jedes konkrete Geschäft ihre Unterschrift holen müssen. Ohne ihr Wissen und ohne ihre Vollmacht habe der Beigeladene zu 6) aber weit reichende Verbindlichkeiten begründet, so dass sie gezwungen gewesen sei, erhebliche Zahlungen zu leisten und gegen ihn bereits einen Vollstreckungsbescheid wegen verauslagter Beträge in Höhe von 21.248,96 DM erwirkt habe. Sie habe weder die Beschäftigung eines Mitarbeiters noch eine Anmeldung zur Sozialversicherung veranlasst, weswegen die Forderung zurückgewiesen werde.
Durch Schreiben vom 18. Januar 2001 erklärte die Beklagte, dass in der Zeit vom 1. April 1999 bis 31. August 1999 der Beigeladene zu 4) und in der Zeit vom 1. März 1999 bis 16.März 1999 der Beigeladene zu 5) zur Betriebsnummer der Klägerin gemeldet gewesen seien. Demnach schulde die Klägerin Beiträge (einschließlich Säumniszuschläge) in Höhe von 4.468,02 Euro. Die Klägerin entgegnete, dass der Beigeladene zu 6) ihr ausdrücklich zugesagt habe, den Fuhrbetrieb als Ein-Mann-Unternehmer zu betreiben. Sie selbst habe in der fraglichen Zeit als Honorarkraft in einer Arztpraxis gearbeitet, diese Tätigkeit im Juli 2000 wegen der Geburt ihrer Tochter aufgegeben. Der Beigeladene zu 6) habe seinen Betrieb vorher auf den Namen seines Bruders und einer Frau F und nach dem Februar 2000 unter den Firma P und K geführt. Auch Herr K sei “über den Tisch gezogen„ worden.
Nach weiterem Schriftverkehr und Mahnungen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. August 2006 den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Widerspruch richte sich auch gegen den konkretisierenden Bescheid vom 18. Januar 2001. Die Beitragsforderungen bestünden mit Recht. Unerheblich sei, dass die Arbeitsverträge mündlich und ohne das Wissen der Klägerin abgeschlossen worden seien. Da aus dem Gewerberegister hervorgehe, dass die Klägerin die Frachtvermittlung als Einzelunternehmen vom 19. Januar 1999 bis 29. Februar 2000 betrieben habe, hafte sie als Arbeitgeberin für die Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Nebenforderungen in Höhe von 6.313,59 Euro. Die Forderung sei auch nicht verjährt. Verjährung trete grundsätzlich vier Jahre nach dem Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem die Beiträge fällig geworden seien. Bei vorsä...