Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. volle Erwerbsminderung. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Auswirkungen der UN-BRK
Orientierungssatz
1. Ist die Erwerbsfähigkeit eines schwerbehinderten Rentenberechtigten aufgrund seiner Behinderung stark eingeschränkt und kann er deshalb nur im geringen Umfang einer Erwerbstätigkeit nachgehen, so kommt jedenfalls dann die Übernahme der Kosten für Anschaffung und Umrüstung eines Fahrzeugs als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht in Betracht, wenn dadurch die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt wird. Dabei genügt allein der Umstand, dass durch das Fahrzeug ein bestehender Arbeitsplatz aufgesucht werden kann, nicht zur Begründung eines Leistungsanspruchs, soweit jedenfalls die Leistungsminderung gerade nicht überwiegend in einer Wegeunfähigkeit begründet liegt.
2. Ist ein Rentenbezieher aufgrund einer Behinderung dauerhaft erwerbsunfähig, kommt die Übernahme der Kosten eines behindertengerechten Fahrzeugs als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auch dann nicht in Betracht, wenn damit eine bestehende Erwerbstätigkeit erhalten werden kann, die gelegentlich ausgeübt wird.
3. Ein sozialhilferechtliche Anspruch eines schwerbehinderten Menschen auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung und Umrüstung eines behindertengerechten Fahrzeugs für die Eingliederung in das Arbeitsleben kommt nur dann in Betracht, wenn auch ein sozialhilferechtlicher Hilfebedarf besteht. Liegt dagegen ein Einkommen oder Vermögen vor, dass zur Bedarfsdeckung ausreicht, kommt ein solcher Leistungsanspruch nicht in Betracht.
4. Auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben steht dem Versicherten gegenüber dem Rentenversicherungsträger bei Vorliegen der gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen ein Bewilligungsanspruch zu. Dem Rententräger wird insoweit keine Ermessensentscheidung eingeräumt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. November 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Kosten für die Anschaffung eines behindertengerecht umgebauten Pkw im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) in Gestalt der Kraftfahrzeughilfe.
Der 1954 geborene Kläger ist seit dem 01. September 2011 (zunächst befristet bis zum 31. August 2013, aufgrund Änderungsvertrags vom 14. August 2013 sodann unbefristet) beim F geringfügig beschäftigt als Aushilfe im Bereich Call-Center. Das monatliche Entgelt belief sich im Jahr 2012 auf rund 404,00 € und im Jahr 2013 auf rund 442,00 €. Er bewohnt - auch schon im Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 - mit seiner Ehefrau ein Eigenheim in der L Str. in B, das sich im Eigentum der Ehefrau befindet. Seine Ehefrau erzielt Einkommen aus abhängiger Beschäftigung i.H.v. 3.000,00 € (Stand 2017).
Der Kläger leidet an einer angeborenen Verstümmelung aller vier Extremitäten und ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie den Nachteilsausgleichen “aG„ (außergewöhnliche Gehbehinderung), “H„ (hilflose Person) und “B„ (Notwendigkeit ständiger Begleitung) anerkannt. Er ist im Besitz eines Führerscheins. Den Weg zur Arbeitsstelle bewältigt er mit dem eigenen Pkw. Nach eigenen Angaben verfügt er nicht über einen Rollstuhl und bewegt sich außerhalb des Fahrzeugs mit zwei Oberschenkelprothesen fort. Für den häuslichen Bereich stehen ihm ferner zwei Kurzprothesen zur Verfügung. Er bezieht Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (nach eigener Angabe Pflegestufe 2).
Er bezog in der DDR bereits seit August 1973 Behindertenrente zzgl. Sonderpflegegeld und Sozialgeld, welche zum 01. Januar 1992 gemäß §§ 302a, 307a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zunächst in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, nach Überprüfung der DDR-Rente auf der Grundlage von § 9 der 1. Renten-Verordnung und wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen gem. §§ 96a, 313 SGB VI dann jedoch in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit umgewertet wurde. Die Höhe der Rentenleistung belief sich im Januar bzw. Juli 2013 auf 660,87 €. Aufgrund seines Antrags vom 10. Juli 2015 bezieht er inzwischen seit dem 01. September 2015 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 02. Januar 2013 ging bei der Beklagten der Antrag des Klägers auf Gewährung einer finanziellen Hilfe zu den Anschaffungskosten eines neuen Pkw vom Typ “Malibu„ des Herstellers Chevrolet i.H.v. 29.372,49 € sowie auf Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen (Handbediengerät für Bremse und Gas, Satellitanlage zur Bedienung der elektrischen Grundfunktionen Blinker, Abblendlicht und Fernlicht, abnehmbare Lenkraddrehgabel, Startknopf zum Anlassen des Motors) i.H.v. 3.250,06 € ein. Hierzu legte er einen Kostenvoranschlag zum Umbau vom 14. Dezember 2012 sowie ein Finanzierungsangebot vom 05. Dezember 2012 v...