Leitsatz (redaktionell)
1. Bei dem Antrag auf Kurzarbeitergeld ist zur Fristwahrung nicht nur das rechtzeitige Einreichen maßgeblich, sondern auch, dass alle nötigen Unterlagen beigefügt wurden. Bereitgestellte Formulare müssen nicht benutzt werden, jedoch entbindet dies nicht von der Bereitstellung aller Informationen zur Bearbeitung des Antrags.
2. Arbeitnehmer sind zwar Inhaber der Ansprüche auf Kurzarbeitergeld, aber nicht antragsbefugt. Der Antrag ist vom Arbeitgeber zu stellen.
3. Mindestinhalt für den Antrag auf Kurzarbeitergeld ist die Festlegung der Ausfallzeit, die Bezugsfrist sowie die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen für die betroffenen Arbeitnehmer.
4. § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III ist auf das Kurzarbeitergeld, das nach § 324 Abs. 2 SGB III erst nachträglich zu beantragen ist, nicht anzuwenden.
Normenkette
SGB III § 325 Abs. 3, § 99 Abs. 3, § 323 Abs. 2 S. 1, § 324 Abs. 1-2; SGB I § 16 Abs. 3
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) und die Erstattung pauschalierter Sozialversicherungsbeiträge für die Monate August und September 2020.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Bereich von Lackierarbeiten an Flugzeugen und Bau von Flugzeughallen in der Rechtsform einer GmbH. Für die Monate von Mai bis Dezember 2020 setzte sie für den Gesamtbetrieb Kurzarbeit fest und zeigte dies der Beklagten am 2. Juni 2020 an. Sie gab an, die betriebsübliche Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich werde auf 0 Stunden reduziert und begründete dies mit der Corona-Pandemie, aufgrund derer sich die Produktionsraten des einzigen Kunden der Firma erheblich verringert hätten, was zum nahezu vollständigen Stillstand der Lackieranlagen führe.
Mit Bescheid vom 3. Juni 2020 stellte die Beklagte das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug fest. Weiter heißt es in dem Bescheid:
„Kug wird deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Ihres Betriebes, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (§ 98 SGB III),
ab 01.05.2020 für die Zeit des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 30.04.2021 bewilligt.
Das Kug ist jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen (vgl. Nr. 1 der Hinweise zum Antragsverfahren Kug).“
Auf die Anträge für Mai bis Juli 2020 hin gewährte die Beklagte mit Bescheiden vom 23. September 2020 und vom 12. November 2020 Kug und erstattete pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge.
Am 30. November 2020 ging bei der Beklagten ein Antragsformular für den Monat August 2020 ein, mit welchem erklärt wird, es werde für 75 Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragt. Die Beträge für Kurzarbeitergeld und pauschalierte Sozialversicherungsabgaben würden nachgereicht. Eine Kug-Abrechnungsliste war nicht beigefügt. Am 5. Januar 2021 ging ein identischer Antrag für den Monat September 2020 bei der Beklagten ein. Am 19. Januar 2021 wies die Beklagte die Klägerin telefonisch darauf hin, dass sie die Anträge als verfristet ansehe, weil die Abrechnungslisten nicht beigefügt gewesen seien. Dem widersprach in der Folgezeit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin.
Mit Datum vom 28. April 2021 gingen die vollständig ausgefüllten Anträge unter Beifügung der Kug-Abrechnungslisten für die Monate August und September 2020 bei der Beklagten ein. Mit Bescheiden vom 6. Mai 2021 lehnte die Beklagte die Anträge für diese Monate unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Der Widerspruch, mit welchem die Klägerin jeweils geltend machte, die Notwendigkeit, auch die Abrechnungsliste innerhalb der Ausschlussfrist bei der Beklagten einzureichen, ergebe sich aus dem Gesetz nicht, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 20. Juli 2021).
Mit der hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, §§ 323 Abs. 2, 325 Abs. 3 SGB III verlangten schon vom Wortlaut her nicht, dass der Antrag beziffert werden müsse. Nur beim Saison-Kug habe der Gesetzgeber zusätzliche Anforderungen aufgestellt, was im Umkehrschluss bedeute, dass beim Kug die Rechtzeitigkeit des Antrags nicht von der Angabe der Kug-Höhe abhängen könne. Aus § 16 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ergebe sich, dass die Unvollständigkeit von Angaben die Wirksamkeit des Antrags nicht berühre. Der Antrag für September 2020 sei am 30. Dezember 2020 zur Post gegeben worden, mit einem rechtzeitigen Eingang am 31. Dezember 2020 sei daher zu rechnen gewesen. Abgesehen davon bestehe nach § 324 Abs. 1 S. 2 SGB III die Möglichkeit einer Zulassung der verspäteten Antragstellung. Ihr diesbezügliches Ermessen habe die Beklagte indes nicht ausgeübt, obwohl der Verlust der streitigen Kug-Summe tiefgreifende wirtschaftliche Folgen für die Klägerin habe und ein Härtefall vorliege.