Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Härtefalls bei stationärer Pflege
Orientierungssatz
1. Leistungen der vollstationären Pflege nach einem Härtefall gem § 43 Abs 3 SGB 11 können auch unter der Geltung der alten Richtlinien nur beansprucht werden, wenn für den Pflegebedürftigen ein finanzieller Aufwand erforderlich ist, der über das nach Pflegestufe III zu entrichtende Entgelt hinausgeht.
2. Dass eine Härte nach § 43 Abs 3 SGB 11 nur bei finanziellem Mehraufwand vorliegt, folgt aus dem klaren Zweck des Gesetzes, mit den Härtefallleistungen den Einkauf von Extrapflege zu ermöglichen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.08.2006 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihrer Mutter Leistungen der vollstationären Pflege nach einem Härtefall gemäß § 43 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu zahlen sind.
Die am 00.00.1913 geborene und am 00.00.2004 verstorbene Mutter der Klägerin, Frau N B (B), war bei der Beklagten pflegeversichert. Sie wurde vollstationär im N-Haus in F gepflegt und erhielt aufgrund eines Vergleichs im Verfahren S 9 P 52/02 (SG Duisburg) ab Oktober 2001 Leistungen der Pflegestufe III. In diesem Verfahren hatte die Klägerin Leistungen für vollstationäre Pflege der Pflegestufe III ab Februar 2001 sowie Leistungen des Härtefalls ab Januar 2002 beantragt. Nach richterlichem Hinweis, dass Pflegestufe III ab Oktober 2001 angenommen werden könne, die Voraussetzungen eines Härtefalls aber nicht vorlägen, schlossen B und die Beklagte am 12.06.2003 "zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits" einen Vergleich über die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe III ab Oktober 2001.
Mit Schreiben vom 18.06.2003 beantragte B, ihr ab Oktober 2001 auch Leistungen des Härtefalls zu gewähren. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) vom 28.07.2003 ein, in dem die Pflegefachkraft U E und die Ärztin Dr. N X einen Grundpflegeaufwand von 199 Minuten feststellten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der B auf Härtefallleistungen ab. Leistungsbeginn könne frühestens die Antragstellung - hier Juni 2003 - sein. Es bestünden erhebliche Bedenken, ob der Antrag von Juni 2003 als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zulässig sei, weil Leistung wegen Härtefalls bereits im Rechtsstreit S 9 P 52/02 streitbefangen gewesen und in Kenntnis dieser Sachlage ein Vergleich geschlossen worden sei. Ungeachtet dessen lägen aber auch die gesetzlichen Voraussetzungen der Härtefallregelung nicht vor. Nur solche Schwerstpflegebedürftigen seien als Härtefall anzuerkennen, bei denen zur Deckung des Hilfebedarfs tatsächlich höhere Kosten aufgebracht würden. Dies sei - wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 30.10.2001, B 3 P 2/01 ausgeführt habe - z.B. in Spezialabteilungen allgemeiner Heime oder in Einrichtungen der Fall, die sich auf einen Personenkreis mit außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand spezialisiert hätten und entsprechend höhere Pflegesätze berechnen würden. Im N-Haus werde kein erhöhter Pflegesatz geltend gemacht. Den Widerspruch der B vom 15.09.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2003 zurück.
B hat am 02.12.2003 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben und weiter Härtefallleistungen ab Oktober 2001 begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass dem zum Aktenzeichen S 9 P 52/02 geschlossenen Vergleich keine Regelung zu entnehmen sei, ob ein Härtefall vorliege und ob die Klägerin darauf verzichtet habe. Vielmehr sei diese Frage im dortigen Verfahren nur kurz erörtert, nicht aber von der Beklagten beschieden worden. In der Sache treffe das Urteil des BSG den hier streitigen Fall nicht bzw. es sei zu erwarten, dass das BSG seine Auffassung überdenke. Die Ansicht des BSG, Härtefallleistungen seien davon abhängig, dass eine Betreuung in besonders spezialisierten Heimen oder besonderen Stationen von Allgemeinheimen erfolge, stehe konträr zum Pflegealltag. Praktisch sei es in allgemeinen Heimen nicht möglich, gesonderte Stationen für Härtefälle zu installieren. Die "gemischte" Unterbringung sei auch deshalb vorzuziehen, weil hierdurch einerseits eine bessere Integration der Schwerstpflegebedürftigen erreicht werde und andererseits Mitarbeiter nicht zu starken psychischen Belastungen unterworfen würden. Im Übrigen wären Altenheime mit "Spezialstationen" über kurz oder lang nicht wettbewerbsfähig, weil gemischte Heime von den Schwerstpflegebedürftigen und ihren Verwandten als preisgünstiger bevorzugt würden. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich der praktische Hintergrund für Härtefälle nicht so entwickelt habe wie vom 3. Senat des BSG in der genannten Entscheidung gemeint. Weder seien die Richtlinien zum Härtefall zwischenzeitlich geändert worden noch hätten die Heimträ...