Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. sonstiger Versicherungspflichtiger. Bezug von Verletztengeld. unmittelbarer Anschluss. Unterbrechung durch Bezug von Übergangsgeld während beruflicher Rehabilitation. Erweiterung der Rahmenfrist

 

Orientierungssatz

1. Eine Unterbrechung zwischen dem Ende des Verletztengeldbezugs und dem Beginn des Krankengeldbezugs durch die Absolvierung einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation steht der Unmittelbarkeit iS des § 26 Abs 2 SGB 3 nicht entgegen, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einzelfall der Versicherte sich nicht von dem Ziel einer Rückkehr in das Berufsleben und damit vom System der Arbeitslosenversicherung abgewendet hat.

2. Der Ausschluss von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation von der Versicherungspflicht in § 26 Abs 2 Nr 1 SGB 3 wird durch eine Verlängerung der Rahmenfrist gem § 143 Abs 3 S 1 SGB 3 ausgeglichen. Dieser Umstand steht der Annahme einer Abkehr von der Arbeitslosenversicherung entgegen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.11.2019 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2015 verurteilt, der Klägerin ab dem 15.04.2015 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

Die Beklage hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld. Streitig ist, ob die Klägerin die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Die Klägerin war zuletzt vom 01.01.2011 bis zum 30.09.2013 als Heilmasseurin beschäftigt. Aufgrund eines Arbeitsunfalls erhielt sie vom 30.11.2012 bis zum 07.10.2013 Verletztengeld. Ab dem 08.10.2013 bezog die Klägerin Übergangsgeld und nahm an einem Reha-Vorbereitungslehrgang teil, der am 12.01.2014 enden und in eine Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen, die bis zum 12.01.2016 geplant war, münden sollte (Bewilligungsbescheid der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vom 13.09.2013). Ein Berufsausbildungsvertrag nach dem BBiG lag der Umschulung nicht zugrunde. Aufgrund einer Erkrankung nahm die Klägerin nur bis zum 30.11.2013 an dem Lehrgang teil. Vom 01.12.2013 bis zur Aussteuerung am 14.04.2015 erhielt die Klägerin Krankengeld von der R-Krankenkasse.

Am 14.04.2015 meldete sich die Klägerin persönlich mit Wirkung zum 15.04.2015 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Im Rahmen einer von der Beklagten veranlassten ärztlichen Begutachtung wurde festgestellt, dass die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben könne, sie jedoch über eine Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten über sechs Stunden verfüge. Im Rahmen dieses Leistungsvermögens stellte die Klägerin sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem Antrag auf Arbeitslosengeld weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Am 25.01.2016 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Sie habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie fortlaufend versicherungspflichtig gewesen sei. Die Tatsache, dass sich durch den Bezug des Übergangsgeldes während der beruflichen Reha eine Lücke von mehr als einem Monat zwischen dem Verletztengeld und dem Krankengeld ergeben habe, sei rechtlich bedeutungslos. Die berufliche Reha-Maßnahme stehe der Unmittelbarkeit zwischen den beiden Bezugszeiträumen nicht entgegen. Unmittelbarkeit sei losgelöst von einem zeitlichen Zusammenhang gegeben, wenn der Sachverhalt eine arbeitsförderungsrechtlichen Kontinuität erkennen lasse.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2015 zu verpflichten, ihr Arbeitslosengeld ab dem 15.04.2015 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei während des Krankengeldbezugs nicht versicherungspflichtig gewesen, weil sie nicht unmittelbar zuvor versicherungspflichtig gewesen sei. Daher sei sie in der gem. § 143 Abs. 3 SGB III um 54 Tage zu verlängernden Rahmenfrist vom 20.02.2013 bis zum 14.04.2015 nur während des Verletztengeldbezuges 230 Tage versicherungspflichtig gewesen.

Mit Urteil vom 25.11.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil sie innerhalb der Rahmenfrist nur 230 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Nur der Bezug des Verletztengeldes begründe gem. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ein Versicherungspflichtverhältnis, da die Klägerin unmittelbar zuvor in einem Beschäftigungsverhältnisses als Heilmasseurin versicherungspflichtig gewesen sei. Der sich anschließende Bezug von Übergangsgeld während ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge