Stefanie Hock, Christoph Tillmanns
Das Gesetz enthält in § 22 Abs. 1 MiLoG eine komplizierte und nicht besonders geglückte Regelung zur Frage, ob Praktikanten einen Anspruch auf Mindestlohn haben. Zweck der Regelung ist es, Praktikanten, die nach Abschluss ihrer Ausbildung ein nicht vorgeschriebenes Praktikum leisten – insbesondere über einen längeren Zeitraum oder wiederholt hintereinander ("Generation Praktikum") –, einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung zu verschaffen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG gelten Praktikanten als Arbeitnehmer i. S. d. Gesetzes und haben einen Mindestlohnanspruch, wenn ihr Praktikum ein sonstiges Berufsbildungsverhältnis i. S. d. § 26 BBiG ist, es sei denn, sie sind ausdrücklich nach § 22 Abs. 1 Satz 2MiLoG vom Mindestlohn ausgenommen. Ein sonstiges Berufsbildungsverhältnis in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Person eingestellt worden ist, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um ein Arbeitsverhältnis oder um eine Berufsausbildung handelt.
Zur Klarstellung hat der Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG zusätzlich noch eine allgemeine Definition des Praktikanten aufgenommen und beschrieben, was ein Praktikant i. S. v. § 26 BBiG ist:
"Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung i. S. d. Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt."
Vergleichbar sind systematische innerbetriebliche Ausbildungen über einen längeren Zeitraum, um bestimmte berufliche Qualifikationen zu erlangen, ohne dass ein anerkannter Ausbildungsberuf erlernt wird, oder auch Berufsausbildungen wie z. B. Tanzlehrer, die nicht vom Berufsbildungsgesetz erfasst werden.
In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber auch das Nachweisgesetz geändert. Praktikanten mit Mindestlohnanspruch fallen seit 16.8.2014 unter das NachweisG. Der Arbeitgeber hat ihnen gegenüber die Verpflichtungen nach § 2 Abs. 1a NachwG zu erfüllen:
der Arbeitgeber, der einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrags, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien, die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele, Beginn und Dauer des Praktikums, Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit, Zahlung und Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs und ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf ggf. anzuwendende Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.
Kein Praktikant i. S. d. § 22 MiLoG, sondern von vorneherein Arbeitnehmer ist der sogenannte "Scheinpraktikant": Steht die Erbringung von Arbeitsleistung im Vordergrund, besteht in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf übliche Vergütung, mindestens ein Mindestlohnanspruch. Abgrenzungskriterien hierfür sind:
- Steht die Arbeitsleistung oder die Aus-/Fortbildung im Vordergrund des Vertragsverhältnisses?
- Entscheidend kommt es dabei auf die Gewichtung der vertraglichen Pflichten an.
- Der Zweck des "Erwerbs von Berufserfahrung" genügt nicht, um ein Arbeitsverhältnis auszuschließen; für die Annahme eines Praktikums ist die Vermittlung zusätzlicher Kenntnisse über den bisherigen Kenntnisstand hinaus erforderlich.
Hinweis bezüglich Darlegungs- und Beweislast
Bereits deshalb, weil bei einer Überprüfung seitens des Zolls ggf. der Arbeitgeber nachweisen muss, dass die Aus- und Fortbildung des Praktikanten im Vordergrund stand und nicht die Erbringung von Arbeitsleistung, ist es dringend zu empfehlen, die Regelungen des § 2 Abs. 1a NachwG zu beachten und insbesondere in den Nachweis aufzunehmen, welches die Aus- und Fortbildungsziele sind.
Macht hingegen ein Praktikant Anspruch auf Mindestlohn geltend, muss er nur darlegen, dass er entweder als Arbeitnehmer oder als Praktikant i. S. d. § 26 BBiG tätig gewesen ist. Möchte sich nun der Arbeitgeber auf eine der nachfolgend aufgeführten 4 Ausnahmen berufen, hat er deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und ggf. zu beweisen.
Das Gesetz macht in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 MiLoG von dem Grundsatz, dass Praktikanten als Arbeitnehmer gelten, 4 ausdrückliche Ausnahmen:
Praktikanten gelten nicht als Arbeitnehmer i. S. d. MiLoG und haben daher keinen Mindestlohnanspruch, wenn sie
- Nr. 1: ein Praktikum verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,
- Nr. 2: ein Praktikum von bis zu 3 M...