Stefanie Hock, Christoph Tillmanns
Das MiLoG nimmt Bereitschaftszeiten nicht explizit aus. Maßgebliche Zeiteinheit ist die "Arbeitsstunde". Insofern bietet es sich an, den Arbeitszeitbegriff des ArbZG heranzuziehen. Als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG mindestlohnrelevant sind danach Bereitschaftszeiten, soweit sie nach der Rechtsprechung als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen sind. Entsprechend hat das BAG für den Bereich der Pflege entschieden, dass das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) vom 15.7.2010 nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist. Ein Unterschied zwischen Erbringung von Bereitschaftsdienst, Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftszeit im oder außerhalb des Pflegedienstes ist nicht ersichtlich. Es handelt sich immer um Leistungen für den Arbeitgeber. Daher sind diese Zeiten mindestlohnpflichtig.
Betrachtet man die auf eine Stunde Bereitschaftsdienst entfallende Vergütung isoliert für diese Stunde, kann der Mindestlohn unterschritten werden. Wie unter Punkt 3.9.1 jedoch dargelegt, ist im Bereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Monat die maßgebliche Bezugsgröße, sodass auch bei Leistung von Bereitschaftsdienst der Mindestlohn nicht zwangsläufig unterschritten wird.
Beispiel 1
Ein Beschäftigter der Entgeltgruppe P 7 Stufe 2, der in einer Einrichtung gem. § 1 Abs. 1 Buchst. d TVöD-B arbeitet, leistet im Monat Juli 2024 eine reguläre Arbeitszeit an 22 Arbeitstagen mit je 8 Stunden (insgesamt 176 Stunden). Zusätzlich leistete er insgesamt 6 Bereitschaftsdienste zu je 10 Stunden. Die Zeit der Bereitschaftsdienste einschließlich der geleisteten Arbeit wurden entsprechend § 8.1 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B zum Zwecke der Entgeltabrechnung mit 25 % als Arbeitszeit bewertet, d. h. mit 15 Stunden. Nach § 8.1 Abs. 4 i. V. m. der Anlage G TVöD-B ist für die Bemessung des Bereitschaftsdienstentgelts ein Bereitschaftsdienstentgelt i. H. v. 24,35 EUR die Stunde maßgeblich. Das Bereitschaftsdienstentgelt beläuft sich damit auf 365,25 EUR, was bezogen auf jede Zeitstunde Bereitschaftsdienst (hier 60 Stunden) unterhalb des Mindestlohns liegt.
Rechnet man zu dem Bereitschaftsdienstentgelt das Tabellenentgelt i. H. v. 3.304,69 EUR hinzu, so beläuft sich das monatliche Entgelt auf 3.669,94 EUR. Dieser Betrag dividiert durch insgesamt 236 geleistete Stunden ergibt ein Stundenentgelt i. H. v. 15,55 EUR. Der Mindestlohnanspruch ist damit erfüllt.
Beispiel 2
Mit einem Beschäftigten in einer Einrichtung gem. § 1 Abs. 1 Buchst. d TVöD-B ist ausschließlich die Ableistung von Bereitschaftsdienst im Umfang von 10 Nachtdiensten zu je 10 Stunden vereinbart. Die ersten 8 Bereitschaftsdienste werden entsprechend § 8.1 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B zum Zwecke der Entgeltabrechnung mit 25 %, also mit 20 Stunden, als Arbeitszeit gewertet. Der 9. und 10. Bereitschaftsdienst wird entsprechend § 8.1 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B zusätzlich mit 15 %, insgesamt mit 40 %, also mit 8 Stunden als Arbeitszeit gewertet. Der Entgeltberechnung sind damit insgesamt 28 Stunden zugrunde zu legen. Der Entgeltanspruch für die Bereitschaftsdienste beträgt damit 681,80 EUR. Der Mindestlohn für insgesamt geleistete 100 Stunden beläuft sich indes auf 1.241 EUR. Dem Beschäftigten steht zu seinem tariflichen Entgelt ein weiterer Betrag i. H. v. 559,20 EUR zu.
Das Beispiel 2 zeigt, dass das MiLoG dann Auswirkungen haben kann, wenn eine Einbeziehung des Tabellenentgelts in die Betrachtung, ob mindestens der Mindestlohn erreicht wird, ausscheidet, weil das Arbeitsverhältnis ausschließlich oder nahezu ausschließlich zum Zwecke des Bereitschaftsdienstes begründet ist. Dabei kommt es weder auf die gewählte Bezeichnung (z. B. "Schlafbereitschaft") noch auf den Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme an. Dass für Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden gem. § 8.1 Abs. 5 TVöD-B ein Zeitzuschlag von 15 % zu zahlen ist, ändert daran ebenfalls nichts, da der Zeitzuschlag nicht auf den Mindestlohn anrechenbar ist (s.unten)
Bereitschaftszeit i. S. d. § 9 TVöD
Der Mindestlohn steht auch für Bereitschaftszeiten nach § 9 TVöD und dem Anhang hierzu zu. Dabei muss ebenfalls geprüft werden, ob der Mindestlohn durch das für Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten zustehende Tabellenentgelt unterschritten wird. Für die Berechnung ist das Bruttomonatsentgelt durch die Anzahl der in dem fraglichen Monat geleisteten Arbeitsstunden zu dividieren. Beim Umfang der Arbeitsstunden ist die Bereitschaftszeit einzubeziehen.
Ein Hausmeister erbringt eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit einschließlich Bereitschaftszeit nach § 9 TVöD von 48 Stunden. Dies ergibt eine durchschnittliche monatliche Arbeitszeit einschließlich Bereitschaftszeit von 208,70 Stunden.
Daraus resultiert ein Mindestlohnanspruch von 2.589,97 EUR. Das Monatsentgelt in EG 4 Stufe 1 beträgt 2.802,62 EUR .
Bei Rufbereitschaft ist zu unterscheiden zwischen der Zeit ohne und mit Arbeitsleistung. Die Zeit o...