1.1 Die verschiedenen Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem BetrVG
Das BetrVG geht von einem abgestuften System von Möglichkeiten aus, die der Betriebsrat hat, um auf Entscheidungen des Arbeitgebers einzuwirken. Diese Einflussmöglichkeiten werden unter dem Oberbegriff der Beteiligungsrechte zusammengefasst. Beteiligungsrechte wiederum lassen sich unterteilen in Mitwirkungsrechte und in echte Mitbestimmungsrechte.
Das schwächste Beteiligungsrecht des Betriebsrats ist der bloße Unterrichtungsanspruch (der sich zum Beispiel in § 90 Abs. 1 bezüglich der Gestaltung von Arbeitsplatz- oder Arbeitsablauf, in § 92 Abs. 1 S. 1 bezüglich der Personalplanung oder auch in § 111 S. 1 bezüglich der Information bei Betriebsänderungen befindet).
Der Unterrichtungsanspruch ist in der Regel jedoch mit einem weitergehenden Beteiligungsrecht verbunden, nämlich dem Beratungsrecht des Betriebsrats. Dieses Beratungsrecht bedeutet, dass der Arbeitgeber die Argumente des Betriebsrats zur Kenntnis nehmen muss, der Betriebsrat aber keine Möglichkeit hat, seine Einwendungen in irgendeiner Weise durchzusetzen. Eine solches Beratungsrecht findet sich u.a. in § 90 Abs. 2, in § 92 Abs. 1 S. 2 und auch in § 111.
Ein weitergehendes Einwirkungsrecht hat der Betriebsrat bei § 102 im Zusammenhang mit Kündigungen. Hier hat er zunächst ein Informationsrecht, aber auch die Möglichkeit, nach § 102 Abs. 3 einen Widerspruch zu formulieren. Entgegen der Überschrift des § 102 handelt es sich hier jedoch nicht um echte Mitbestimmung, sondern um ein sog. Widerspruchs- und Vetorecht (Mitwirkung). Die Entscheidung, ob eine Kündigung ausgesprochen wird oder nicht, bleibt unabhängig davon, ob der Betriebsrat widersprochen hat, allein beim Arbeitgeber.
Gleiches gilt auch für die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99. Hier hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Zustimmung zu bestimmten personellen Einzelmaßnahmen zu verweigern. Ihm steht ein an einen gesetzlich festgelegten Katalog von Einwendungen gebundenes Vetorecht zu. Ob eine Einstellung tatsächlich vorgenommen wird, bleibt wiederum allein in der Entscheidung des Arbeitgebers. Der Betriebsrat kann die Maßnahme zwar verhindern, er hat jedoch nicht die Möglichkeit, selbstgestaltend auf eine bestimmte Maßnahme des Arbeitgebers einzuwirken.
Kennzeichen der sog. Mitwirkungsrechte des Betriebsrats ist es, dass die Entscheidungsbefugnis über eine bestimmte Maßnahme, sei es eine personelle Einzelmaßnahme wie Einstellung oder Kündigung, sei es die Ausgestaltung der Personalplanung oder die Durchführung von Betriebsänderungen, letztendlich beim Arbeitgeber verbleibt und dem Betriebsrat nur die Möglichkeit zusteht, mit der Kraft seiner Argumente auf die Entscheidung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Von einer echten Mitbestimmung kann diesbezüglich nicht die Rede sein.
Ganz anders ist es jedoch bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG: Hier handelt es sich um ein wirkliches "Blockaderecht".
Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ist "echte" Mitbestimmung!
In sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat die Möglichkeit, konkret auf die Entscheidung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Dies ist das Kennzeichen der "echten" Mitbestimmung.
§ 87 Abs. 1 BetrVG ist das Herzstück der Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Nur in wenigen Vorschriften des BetrVG wird dem Betriebsrat die Möglichkeit echter Mitbestimmung eingeräumt, so bei der Aufstellung eines Sozialplans nach § 112 oder bei der Verwendung von personellen Auswahlrichtlinien nach § 95 Abs. 2. Kennzeichen der echten Mitbestimmung ist die gesetzliche Anordnung, dass in den Fällen, in denen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung über die mitzubestimmende Angelegenheit erzielen, die Einigungsstelle entscheidet und deren Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Eine derartige Regelung findet sich unter anderem in § 87 Abs. 2 BetrVG. In allen Fällen, in denen im Gesetz auf die Letztentscheidung der Einigungsstelle verwiesen wird, handelt es sich um echte Mitbestimmung.
Beteiligungsrechte |
Mitwirkungsrechte |
Mitbestimmungsrechte |
Informationsrecht |
soziale Angelegenheiten (§ 87) |
Beratungsrecht |
Sozialplan (§ 112 Abs. 4) |
Widerspruchsrecht (§ 102 Abs. 3) |
Auswahlrichtlinien |
Vetorecht (§§ 94, 99) |
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Die positive Entscheidungsfreiheit bleibt beim Arbeitgeber |
In Konfliktfällen entscheidet die Einigungsstelle verbindlich |
1.2 Das Verfahren der Mitbestimmung
1.2.1 Zwingende Beteilung des Betriebsrats
Echte Mitbestimmung bedeutet, dass der Arbeitgeber diesbezüglich, so z.B. bei den sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 - 13 keine einseitige Regelung treffen kann, sondern Regelungen nur dann wirksam sind, wenn der Betriebsrat mit der Maßnahme ausdrücklich einverstanden ist und die Angelegenheit über eine Regelungsabrede – gilt nur für den betreffenden Einzelfall – oder über eine generelle Regelung in einer Betriebsvereinbarung getroffen wird. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich, wenn es um die Regelung einer Angelegenheit geht, die der Mitbestimmung unterliegt, gewissermaßen "zusammenraufen". Gelingt ihnen das nicht, kann jede Partei die Ein...