Die Grunddefinition des Bundesarbeitsgerichts ist mittlerweile in einigen untergerichtlichen Entscheidungen aufgegriffen und präzisiert worden. Mit Abstand am ausführlichsten befasste sich das Landesarbeitsgericht Thüringen in einem Urteil nicht nur mit der Definition des Mobbing-Begriffs, soweit er juristisch relevant sein soll, sondern auch mit den sich daraus für den Arbeitgeber ergebenden Rechtsfolgen sowie den Schadensersatz sowie beweisrechtlichen Umfeld, soweit eine solche Streitigkeit die Gerichte beschäftigt.
Das Urteil des LAG Thüringen mit insgesamt 14 (!) Leitsätzen hat sich als "juristisches Brevier" für Mobbing-Fälle in der Praxis nicht durchgesetzt. Gleichwohl zeigt es, welche komplexe rechtliche Bewertung hinter Mobbing-Fällen stehen kann und welche Anforderungen daraus für den Arbeitgeber resultieren.
Der Mobbingbegriff wird vom LAG Thüringen wie folgt definiert: "Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfasst der Begriff des Mobbing fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf der im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsprechung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sein und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere, ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen".
Über die Rechtsprechung aller anderen Gerichte hinausgehend wird dabei vom LAG Thüringen schon das objektive Vorliegen einer Mobbing-Situation dem Arbeitgeber zugerechnet. Ein systematisches Vorgehen sei dabei nicht Voraussetzung für die Annahme eines Mobbing-Sachverhalts. Auch ein vorgefasster Plan sei nicht erforderlich, es reiche aus, wenn ein bestimmtes Verhalten unter schlichter Ausnutzung der Gegebenheiten vorliegt.
Dem Urheber der "Thüringer Thesen" hat jetzt eine andere Kammer desselben Gerichts mehr als energisch widersprochen. In ungewöhnlich scharfer Form kritisiert die erste Kammer des LAG Thüringen die Mobbingentscheidung der 5. Kammer und stellt dazu schon im Leitsatz klar: "Für die streitentscheidene Aufgabe der Gerichte ist es nicht hilfreich, wenn der Eindruck erweckt wird, die Gerichte müssten gegenüber Mobbing ein klares Stoppsignal setzen". In der Klagebegründung geht die "Kollegenschelte" dann sogar soweit, dass der LAG-Entscheidung aus dem Jahr 2001 jede ernsthafte Bedeutung abgesprochen wird. Diese stelle, so die erste Kammer des LAG, "eher eine – hier nicht einschlägige – gutachterliche Äußerung verbunden mit rechtspolitischen Appellen zum Thema Mobbing dar". Mit diesem "Konterurteil" dürften sich die Chancen derjenigen, die sich im Streit mit dem Arbeitgeber auf den weiten Auslegungsbegriff des Mobbings berufen, weitgehend erübrigt haben, zumal sich gut drei Jahre nach Veröffentlichung der "Thüringer Thesen" kein anderes Arbeitsgericht auch nur Ansatzweise angeschlossen hat.