Kommt eine Vereinbarung über die Familienpflegezeit nicht zustande, hat der Beschäftigte folgende rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten:

  • Der Beschäftigte kann Klage auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abgabe einer dem Verringerungs- und Verteilungswunsch zustimmende Willenserklärung erheben (§ 894 Satz 1 ZPO) und/oder
  • im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen den Arbeitgeber vorgehen (§ 940 ZPO).
 
Praxis-Beispiel

Restrukturierungsmaßnahmen und Familienpflegezeit

Am 27.6.2016 informierte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, dass sein Arbeitsplatz von einer Restrukturierungsmaßnahme betroffen ist. Mit Schreiben vom 30.6.2016 beantragte der Arbeitnehmer für seinen pflegebedürftigen Vater ab 8.9.2016 eine 24-monatige Familienpflegezeit mittels Reduzierung der Wochenarbeitszeit um 1 Stunde auf 37 Stunden und Verteilung auf Montag bis Donnerstag. Der Arbeitgeber lehnte das Verlangen auf Familienpflegezeit als rechtsmissbräuchlich ab.

Das LAG Hamm gab dem Antrag des Arbeitnehmers statt und entschied in einer sog. Regelungsverfügung im einstweiligen Verfügungsverfahren am 28.12.2016[76a]:

"Dem Antragsteller wird bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens das Recht eingeräumt, die wöchentliche Arbeitszeit auf 37 Stunden wöchentlich bei Verteilung auf die Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag zu reduzieren."

Zur Begründung verwies das LAG auf Folgendes:

  • Der Anspruch auf Familienpflegezeit wurde rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigt.
  • Der Arbeitgeber legte keine der beantragten Familienpflegezeit entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründe dar.
  • Das Verlangen des Arbeitnehmers, dass seine Arbeitszeit nur geringfügig reduziert wird, indiziert nicht per se einen Rechtsmissbrauch.[76b]
  • Das FPfZG gibt keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung, sondern nur ein Mindestmaß an verbleibender wöchentlicher Arbeitszeit.

Ähnlich entschied das LAG Berlin-Brandenburg mit einer sog. Befriedigungsverfügung vom 20.9.2017[76c]:

Der Arbeitgeber wurde im Wege einer einstweiligen Verfügung verurteilt, der Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit des Beschäftigten von bislang 40 Stunden pro Woche auf 30 Stunden pro Woche bei einer Verteilung der Arbeitszeit von 6 Stunden pro Arbeitstag (montags bis freitags) im täglichen zeitlichen Rahmen von 6:30 Uhr bis 14:30 Uhr ab dem 23.11.2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, längstens bis zum 21.5.2019, zuzustimmen.

[76a] LAG Hamm, Urteil v. 28.12.2016, 6 SaGa 17/16.
[76b] Ähnlich: BAG, Urteil v. 11.6.2013, 9 AZR 786/11 zum Anspruch auf Teilzeit.
[76c] LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.9.2017, 15 SaGa 823/17.

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