Peter Schmeiduch, Jutta Schwerdle
Beschäftigte haben einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit für die häusliche Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen ("Pflegezeit", § 3 Abs. 1 PflegeZG).
5.2.1 Anspruchsvoraussetzungen
– Unternehmen mit mehr als 15 "Beschäftigten"
Sog. Kleinunternehmen sind von den Bestimmungen zur 6-monatigen Pflegezeit ausgenommen. Der Anspruch besteht nur für Beschäftigte in Unternehmen mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten.
Teilzeitkräfte sind bei der Bemessung der notwendigen Unternehmensgröße voll mitzuzählen. Eine dem § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG entsprechende Vorschrift, wonach Teilzeitkräfte nur anteilig mit 0,5 bzw. 0,75 gerechnet werden, ist im PflegeZG nicht vorhanden.
Eine gesetzliche Klarstellung, dass die Beschäftigten in Berufsbildung nicht mitgezählt werden (wie z. B. in § 15 Abs. 7 Nr. 1 BEEG und § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG normiert), fehlt im PflegeZG. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG ist der Anspruch ausgeschlossen gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger "Beschäftigten". Der Beschäftigtenbegriff ist in § 7 Abs. 1 PflegeZG definiert und erfasst Arbeitnehmer, zur Berufsausbildung Beschäftigte und arbeitnehmerähnliche Personen.
Bei Bemessung der Unternehmensgröße sind – entgegen der Schwellenwertregelungen in anderen Gesetzen – auch die zur Berufsbildung Beschäftigten und die arbeitnehmerähnlichen Personen mitzuzählen!
Hinsichtlich des anspruchsberechtigten Personenkreises wird verwiesen auf "Beschäftigte i. S. d. PflegeZG"; hinsichtlich des Begriffs des pflegebedürftigen nahen Angehörigen (§ 7 Abs. 1 und Abs. 3 PflegeZG) siehe "Nahe Angehörige" und "Pflegebedürftigkeit".
Der Anspruch auf Pflegezeit besteht nur, wenn die Pflegebedürftigkeit nach §§ 14 ff. SGB XI nachgewiesen ist. Sind die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit i. S. d. SGB XI (nur) "voraussichtlich" erfüllt, so besteht zwar Anspruch auf die Arbeitsbefreiung nach § 2, nicht aber auf die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG.
Die Beschäftigten haben die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Bei in der privaten Pflege-Pflichtversicherung versicherten Pflegebedürftigen ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.
Das Gesetz lässt als Nachweis der Pflegebedürftigkeit i. S. d. §§ 14 ff. SGB XI nur eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes bzw. der entsprechenden Einrichtungen der privaten Versicherungen zu. Ein Attest z. B. des behandelnden Hausarztes reicht für die Inanspruchnahme der Pflegezeit nicht aus. Kündigt ein Beschäftigter die Inanspruchnahme der Pflegezeit an, so muss der MDK spätestens innerhalb von 2 Wochen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse eine Begutachtung durchführen und den Antragsteller unverzüglich schriftlich über seine Empfehlung informieren.
– Pflege in häuslicher Umgebung
Der Anspruch auf Pflegezeit besteht, wenn die/der Beschäftigte einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt. Dies setzt nicht voraus, dass die/der Beschäftigte mit dem zu Pflegenden in häuslicher Gemeinschaft lebt. Ausreichend wird vielmehr sein, dass die/der Beschäftigte den zu Pflegenden beispielsweise in dessen Haushalt versorgt, indem sie/er dem zu Pflegenden mehrmals täglich hilft. Mit der Voraussetzung, dass der zu pflegende Angehörige pflegebedürftig i. S. d. §§ 14 ff. SGB XI sein muss, ist zu unterstellen, dass der pflegende nahe Angehörige Pflegeleistungen und somit mehr als nur betreuende Leistungen erbringt.
– Einseitiges Gestaltungsrecht
Die Regelungen zum Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit entsprechen weitgehend den Bestimmungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zur 3-jährigen Elternzeit, gehen aber teilweise – insbesondere bei der Teilzeitarbeit während der Pflegezeit – auch darüber hinaus.
Die Pflegezeit ist nach § 3 PflegeZG – wie auch die Elternzeit – ein einseitiges Gestaltungsrecht. Die Inanspruchnahme der Pflegezeit bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers.
Lehnt der Arbeitgeber die Gewährung der Pflegezeit ab, so kann der Beschäftigte seinen Anspruch auf Pflegezeit auch im einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgen.