BAG, Urteil v. 27.5.2020, 5 AZR 247/19

Leitsätze (amtlich)

Wird ein gekündigter Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem titulierten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorläufig weiterbeschäftigt, bestehen keine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Entgeltzahlung an Feiertagen, wenn sich nachträglich die Kündigung als wirksam erweist.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Entgeltfortzahlung. Hintergrund war eine Kündigung des Klägers durch die beklagte Arbeitgeberin zum 30.9.2015. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte in erster Instanz Erfolg. Aufgrund dessen war die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen. Zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung nahm die Beklagte auch die Arbeitskraft des Klägers an. Allerdings war der Kläger in der Folgezeit über mehrere Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte vergütete die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden, nicht aber die infolge von Arbeitsunfähigkeit und an gesetzlichen Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit. Dieser klagte nun auf Entgeltzahlung für diese Zeiten i. H. v. 5.360,75 EUR brutto abzüglich des für diese Zeiträume erhaltenen Krankengeldes.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Das Gericht führte hierzu aus, dass die vorliegende Weiterbeschäftigung des Klägers aufgrund der zunächst vom Arbeitsgericht festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung nicht gem. § 611a Abs. 1 BGB aufgrund eines Arbeitsvertrags erfolgte, sondern wegen der Rechtspflicht aus der erstinstanzlichen Verurteilung. Zwar können die Arbeitsvertragsparteien für die Zeit eines Kündigungsrechtsstreits eine sog. Prozessbeschäftigung vereinbaren, es sei hierbei jedoch im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob die Weiterbeschäftigung tatsächlich aufgrund einer solchen Weiterbeschäftigungsvereinbarung zustande kam. Die Beweislast für das Bestehen einer solchen vertraglichen Vereinbarung trage hierbei der jeweilige Beschäftigte. Im vorliegenden Fall konnte jedoch keine Vereinbarung festgestellt werden; denn der beklagte Arbeitgeber hatte nur erklärt, den Kläger zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Weiterbeschäftigungstitel zu beschäftigen. Es handele sich bei einer solchen Erklärung nicht um ein Vertragsangebot i. S. v. § 145 BGB. Dasselbe gelte für das Vorliegen eines faktischen oder fehlerhaften Arbeitsverhältnisses; denn auch hier wäre ein entsprechender Willensentschluss des Arbeitgebers notwendig gewesen, woran es hier jedoch fehlte. Ein Vertrag komme mangels Rechtsbindungswille auch nicht durch die bloße Erbringung der Arbeitsleistung zustande. Mangels vertraglicher Grundlage galt somit das Entgeltfortzahlungsgesetz für den Kläger während der Prozessbeschäftigung nicht, sodass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung weder für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit noch für Feiertage bestand.

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