Dr. Sabrina Schmidt-Rudloff
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind vertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Qualifizierungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beschäftigten zulässig. Das gilt jedoch nicht ausnahmslos. Derartige Zahlungsverpflichtungen können gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie auch bei der Berücksichtigung der Grundrechte des Arbeitgebers zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) führen. Eine Belastung des Beschäftigten mit Qualifizierungskosten muss daher vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Beschäftigte muss andererseits mit der Qualifizierungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muss ihm die Erstattungspflicht nach Treu und Glauben zuzumuten sein. Das ist aufgrund einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.
6.1.3.1 Geldwerter Vorteil
Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit der Beschäftigte mit der Qualifizierung einen geldwerten Vorteil erlangt. Einen solchen sieht die Rechtsprechung des BAG darin, dass der Beschäftigte mit der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung seine beruflichen Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wesentlich verbessert hat. Dies ist der Fall, wenn außerhalb des Betriebs des Arbeitgebers Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften besteht und die beruflichen Entwicklungschancen sowie Verdienstchancen für den Beschäftigten durch die vom Arbeitgeber finanzierte Qualifizierung gesteigert worden sind. Auch Qualifizierungsmaßnahmen, die dem Beschäftigten realistische Aufstiegschancen im Bereich des bisherigen Arbeitgebers eröffnen, die ihm zuvor verschlossen waren, reichen aus (z. B. Möglichkeit, Aufgaben mit einer höheren Vergütung wahrzunehmen).
6.1.3.2 Bindungsdauer
Die Zulässigkeit der Rückzahlungsklausel hängt weiter wesentlich von der Bindungsdauer ab. Diese muss in einem angemessenen Verhältnis zur Qualifizierungsdauer stehen. Das BAG hat das damit begründet, dass die Qualifizierungsdauer sowohl für die Höhe der Arbeitgeberaufwendungen und damit dessen Bedarf am Schutz seiner Investitionen als auch für die Qualität der erworbenen Qualifikation und die damit verbundene Erhöhung der beruflichen Chancen des Beschäftigten bestimmend ist. Wann Bindungsdauer und Qualifizierungsdauer in einem angemessenen Verhältnis stehen, hat das BAG bisher nicht generell geklärt. Allerdings sind der Rechtsprechung folgende Vorgaben zu entnehmen:
- Eine Qualifizierung, die nicht länger als einen Monat dauert, rechtfertigt regelmäßig nur eine Bindung des Beschäftigten bis zu sechs Monaten, es sei denn, der Beschäftigte hat durch die Qualifizierung eine besonders hohe Qualifikation erworben oder die vom Arbeitgeber aufgewendeten Qualifizierungskosten sind außergewöhnlich hoch.
- Bei einer Qualifizierungsdauer bis zu 2 Monaten ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung kann eine höchstens einjährige Bindung vereinbart werden.
- Bei einer Lehrgangsdauer von 3 bis 4 Monaten ist eine Bindungswirkung von 2 Jahren jedenfalls nicht zu lang bemessen. Das BAG neigt dazu, dass eine längere Bindungsdauer in derartigen Fällen regelmäßig unzulässig ist.
- Eine Lehrgangsdauer von fast 6 Monaten rechtfertigt eine Bindungsdauer von bis zu 2 Jahren.
- Eine Lehrgangsdauer von bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als 3 Jahre. Etwas anderes kann sich nur bei einer besonders hohen Qualifikation verbunden mit überdurchschnittlichen Vorteilen für den Beschäftigten ergeben.
Eine Bindungsdauer von fünf Jahren hat das BAG im Hinblick auf die Länge bzw. Hochwertigkeit der Ausbildung in folgenden Fällen für zulässig erachtet:
- Finanzierung eines über 2-jährigen Lehrgangs zur Ausbildung von Fachlehrern für bildhaftes Gestalten und Werken,
- Finanzierung eines achtsemestrigen Universitätsstudiums, ohne dass der Betreffende dabei vertraglich zur Arbeit verpflichtet war.
Im Schrifttum wird überwiegend in Anlehnung an § 624 BGB ein Zeitraum von 5 Jahren als Höchstgrenze der Bindung angesehen.
Steht die Bindungsdauer des Beschäftigten nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Qualifizierungsdauer, praktizierte das BAG bis zur Schuldrechtsr...