3.6.1 Zustandekommen
Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind schriftliche Verträge zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat/Personalrat. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG spricht zwar etwas eigentümlich davon, dass Betriebsvereinbarungen gemeinsam zu beschließen seien, dennoch handelt es sich hier, wie bei einem Tarifvertrag, um einen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt.
In der Privatwirtschaft kommt die Betriebsvereinbarung zustande durch den privatrechtlichen Abschluss eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Im öffentlichen Dienst kommt die Dienstvereinbarung zustande durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen einer Dienststelle und der Personalvertretung. Damit entspricht die Dienstvereinbarung ihrem Wesen nach der Betriebsvereinbarung. Einige Vorschriften werden aus dem Betriebsverfassungsrecht entsprechend auch auf die Dienstvereinbarung angewendet. Aufgrund der Beschränkung des § 63 Abs. 1 BPersVG (bzw. LPersVG) und des bei der Erzwingbarkeit im Verhältnis zur Privatwirtschaft wesentlich schwierigeren Einigungsstellenverfahrens (vgl. §§ 72 ff. BPersVG im Vergleich zu §§ 87 Abs. 2, 76 Abs. 3 bis 6 BetrVG) hat die Betriebsvereinbarung in der Privatwirtschaft eine tief greifendere Bedeutung als die Dienstvereinbarung im öffentlichen Dienst.
3.6.2 Beschluss der Mitarbeitervertretung
Der Abschluss einer wirksamen BV/DV setzt auf Seiten der Mitarbeitervertretung einen entsprechenden Beschluss voraus, weil der Betriebsrat/Personalrat nur so seinen Willen bilden kann (§ 33 BetrVG; im öffentlichen Dienst: vgl. § 39 BPersVG).
Dennoch kann gegenüber dem Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats/Personalrats auch einmal durch schlüssiges Verhalten ausnahmsweise dann erklärt werden, wenn der Betriebsrat/Personalrat den Anschein erweckt, er habe einen entsprechenden Beschluss gefasst. Dies kann der Fall sein, wenn sämtliche Mitglieder der Arbeitnehmervertretung dem Arbeitgeber ihre Zustimmung zu erkennen geben oder der Vorsitzende dem Arbeitgeber erklärt, dass ein Beschluss vorliege.
Allein der Abschluss einer BV/DV mit dem BR/PersR-Vorsitzenden ohne entsprechenden Beschluss des BR/PersR genügt aber nicht, weil der Vorsitzende den BR/PersR nur im Rahmen der vom BR/PR gefassten Beschlüsse vertreten kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG; § 35 Abs. 2 BPersVG).
3.6.3 Regelungsmaterie
Mit Betriebs-/Dienstvereinbarungen werden echte Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung vertraglich geregelt. Diese sind vor allem in § 87 BetrVG, §§ 78 BPersVG geregelt.. Einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers sind hier, jedenfalls zulasten der Arbeitnehmer unwirksam. Das BAG spricht hier von der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung. Im öffentlichen Dienst ist die Voraussetzung der Beteiligung des Personalrats in §§ 70ff. BPersVG bzw. in den entsprechenden Landespersonalvertretungsgesetzen geregelt. Das gesetzliche Instrument der Einigung mit der Mitarbeitervertretung ist die Betriebsvereinbarung (= BV) bzw. im öffentlichen Dienst die Dienstvereinbarung (= DV). Das BAG bezeichnet sie als "Gesetz des Betriebes". Kommt bei diesen Mitbestimmungsrechten eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat/Personalrat nicht zustande, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Deren Entscheidung (Spruch) ersetzt die Einigung (§ 87 Abs. 2 BetrVG bzw. im öffentlichen Dienst § 75 BPersVG). Man spricht hier von einer erzwingbaren Mitbestimmung und deshalb auch von einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung.
Aber auch in sozialen Angelegenheiten, die nicht der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, können Betriebsvereinbarungen getroffen werden, wie § 88 BetrVG beispielhaft regelt. Da hier aber der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht erzwungen werden kann, spricht man hier von einer freiwilligen Betriebsvereinbarung. Das ist allerdings im öffentlichen Dienst wegen § 63 Abs. 1 BPersVG (bzw. der entsprechenden Landespersonalvertretungsgesetze) so nicht möglich. Hier sind Dienstvereinbarungen nur zulässig, soweit es das Bundes- oder Landespersonalvertretungsgesetz ausdrücklich vorsieht.
3.6.4 Grenzen der Regelungsbefugnis
Die Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung steht in der Grafik (siehe Punkt 2) unter EU-Recht, Grundgesetz, formellen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Tarifverträgen. Sie darf damit gegen solche Regelungen nicht verstoßen, sonst ist sie als Ganzes oder in einzelnen Teilen unwirksam. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie eine günstigere oder ungünstigere Regelung als die übergeordnete Rechtsvorschrift enthält. Ein Verstoß liegt aber nicht vor, wenn die übergeordnete Regelung eine Abweichung durch BV/DV ausdrücklich erlaubt, also dispositiv ist.
Beispiele:
Allgemeine (formelle) Gesetze
Die BV/DV darf nicht gegen zwingende (Gegensatz: "abdingbare" oder "dispositive") gesetzliche Vorschriften verstoßen.
also:
- Keine BV/DV über Wegfall von Urlaubsentgelt unter bestimmten Voraussetzungen: Verstoß gegen § 13 BUrlG.
- Keine BV/DV über Bezahlung der Teilnehmer an e...