Die Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung steht in der Grafik (siehe Punkt 2) unter EU-Recht, Grundgesetz, formellen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Tarifverträgen. Sie darf damit gegen solche Regelungen nicht verstoßen, sonst ist sie als Ganzes oder in einzelnen Teilen unwirksam. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie eine günstigere oder ungünstigere Regelung als die übergeordnete Rechtsvorschrift enthält. Ein Verstoß liegt aber nicht vor, wenn die übergeordnete Regelung eine Abweichung durch BV/DV ausdrücklich erlaubt, also dispositiv ist.

Beispiele:

Allgemeine (formelle) Gesetze

Die BV/DV darf nicht gegen zwingende (Gegensatz: "abdingbare" oder "dispositive") gesetzliche Vorschriften verstoßen.

also:

  • Keine BV/DV über Wegfall von Urlaubsentgelt unter bestimmten Voraussetzungen: Verstoß gegen § 13 BUrlG.
  • Keine BV/DV über Bezahlung der Teilnehmer an einem Warnstreik, da dies gegen die Neutralitätspflicht des BR bei Arbeitskämpfen (§ 74 BetrVG) verstieße.
  • Keine BV/DV, die gegen das Kündigungsschutzgesetz oder gegen Grundsätze des Kündigungsrechts verstößt.
  • Bei einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit kann nicht vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis dann beendet werde, da dies den Verzicht auf den Kündigungsschutz bedeuten würde.[1]
  • Die Vereinbarung der Geltung von Regelungen künftiger Tarifverträge ist unwirksam, wenn der BR/PersR dadurch sein MBR aufgibt und in die Hände der Tarifvertragsparteien legt (dynamische Blankettverweisung). Etwas anderes ist es aber, wenn jeweils bei Änderungen des TV die Betriebspartner neu verhandeln und gegebenenfalls (statisch) die Geltung einzelner tarifvertraglicher Regelungen vereinbaren, die dem MBR des BR unterliegen.

Tarifverträge:

§ 77 Abs. 3 BetrVG (§ 63 Abs. 1 BPersVG) setzten der Regelungsbefugnis der Betriebspartner Grenzen.

Hiernach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer BV sein ("Sperrwirkung"), es sei denn, der Tarifvertrag lässt eine solche BV/DV ausdrücklich zu ("Öffnungsklausel"). Das BAG spricht bei dieser Vorschrift von einem "Eckpfeiler der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung".[2] Bei Aufstellung eines Sozialplans gilt die Vorschrift im Anwendungsbereich des BetrVG aber nicht (§ 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG).

Schließen AG und BR/PersR entgegen § 77 Abs. 3 BetrVG (§ 63 Abs. 1 BPersVG) eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung, ist diese nach § 134 BGB wegen Gesetzesverstoß nichtig.[3]

§ 87 Abs. 1 BetrVG begrenzt ebenfalls die Regelungsbefugnis.

Die Vorschriften regeln generell den Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag. Eine tarifliche Regelung in diesem Sinn ist aber nur dann von Bedeutung, wenn sie für den Betrieb gilt[4], die dortige Regelung abschließend ("…soweit…") ist und keine Öffnungsklausel enthält. Die Frage, wann eine tarifliche Regelung gilt, beantworten §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 TVG.

Verhältnis der Grenzen in § 77 Abs. 3 und § 87 Abs. 1 BetrVG zueinander

Wenn es um ein echtes Mitbestimmungsrecht geht, verdrängt in der Privatwirtschaft § 87 Abs. 1 BetrVG insoweit § 77 Abs. 3 BetrVG, als dort eine Betriebsvereinbarung über Arbeitsbedingungen bei tarifüblicher Regelung unzulässig ist.[5]

Das bedeutet:

Wenn bei einer Regelungsmaterie aus § 87 BetrVG die spezielle Frage nicht in einem für den Betrieb geltenden TV geregelt ist, ist eine entsprechende Betriebsvereinbarung nicht wegen § 77 Abs. 3 BetrVG unzulässig.[6]

Anders ist es im öffentlichen Dienst. Hier verdrängt auch die bloße Tarifüblichkeit die Befugnis, Dienstvereinbarungen abzuschließen. Damit dürfen Dienstvereinbarungen nur unter folgenden Voraussetzungen abgeschlossen werden:

  • Es muss eine Angelegenheit sein, die überhaupt ausdrücklich durch Gesetz durch Dienstvereinbarung geregelt werden darf.
  • Es darf über die Angelegenheit keine Regelung in einem Tarifvertrag gelten, der für die Dienststelle gilt.
  • Selbst wenn eine tarifliche Regelung für die Dienststelle nicht gilt, darf keine tarifliche Regelung zu der Problematik üblicherweise vom Geltungsbereich her vorhanden sein.

Dürfen trotz der Grenzen der §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG (§ 63 Abs. 1 BPersVG) für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen durch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden?

Im Arbeitsrecht gilt zwar grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip.

Dies bedeutet aber grds. nur, dass günstigere Regelungen im Arbeitsvertrag, ungünstigeren tarifvertraglichen Regelungen (wegen § 4 Abs. 3 TVG) und ungünstigeren Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen vorgehen. Das Günstigkeitsprinzip gilt aber nicht im Verhältnis Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung/Tarifvertrag.[7]

In einer BV/DV darf also ohne "Erlaubnis im Tarifvertrag" weder zuungunsten noch zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Damit sind auch günstigere Regelungen in BV/DV, wenn sie unter Verstoß gegen höheres Recht zustande gekommen sind, unwirksam. In der Privatwirtschaft wird man aber unter Umständen dazu kommen können, die unwirksame Betriebsvereinbarung gem. § 140 BGB umzudeuten in einzelvertrag...

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